1.
Im Sommer 2000, ein Monat vor meiner Ankunft in Heidelberg, führte ich
ein Gespräch mit meinem Professor. Dabei gab er mir einen Tip, dass
das Theologiesieren in Asien im Grunde genommen immer ökumenisch sei, i.e.
es sei immer schwierig, theologische Fragen in Asien zu thematisieren, weil
es 4 Weltreligionen in Asien gibt, wo gut 60 Prozent der Menschheit leben, sowie
eine Reihe uralter Imperien und Kulturen entstanden und Hunderte von Völkern
und Sprachen existieren.
Nach dem Gespräch mit ihm dauerte es zwar eben 2 Semester an der Universität
Heidelberg, aber der Tip wurde für mich jetzt wissenschaftlich viel wichtiger,
als ich in Korea dachte. Und in diesem Zusammenhang würde ich auch erklären,
wie ich während 2 Semester hierzulande zur Kenntnisse nehmen konnte, nicht
nur dass mein sechsjähriges Theologiestudium in Korea oberflächlich
gewesen sei, sondern auch dass zu dieser Zeit Theologie als Theorie nicht mit
der Praxis verbunden wurde. Zur Zeit studiere ich an der Universität Heidelberg
im Rahmen des Kirchlichen Austauschprogrammes der EKD und des ÖRK.
Und es hat mir der finanzielle Unterstützung des Diakonischen Werkes der
EKD aufgrund des Gutachtens des ÖRK zur Verfügung gestanden. Mein
Ziel ist es, das Theologiestudium im Zusammenhang mit diesem Programm weiter
zu entwickeln. Aber die Dinge haben sich anders entwickeltet, als ich es mir
vorgestellt habe. Denn ich habe in Deutschland eine grosse wissenschaftliche
Wende mitgebracht, in der mir die ökumenische Erfahrung wichtig geworden
ist.
2.
Ich möchte erwähnen, was ich bei den Kirchen in Korea und in Deutschland
gefühlt habe. Der Protestantismus Koreas hat nur 100 Jahre Tradition. Seit
ca. 100 Jahren sind aber auf vielen Gebieten des Christentum in Korea überraschende
Fortschritte gemacht worden. Es ist kein Wunder, dass ein Viertel der Bevölkerung
Koreas Christen geworden sind. Weil die Kirche Koreas viel Leidenschaft und
Energie hatte, die anderswo nicht mehr gefunden werden konnte. Aber ich gewinne
schon lange den Eindruck, dass das Christentum Koreas immer schwächer geworden
ist. Die kritischen koreanischen TheologInnen meinen, dass das Christentum Koreas
für die Zukunft keine Hoffnung mehr hat. Wegen dieser Entwicklung sind
Kirche und Theologie in Korea ernstlich besorgt. Als ich das erste Mal an einem
Gottesdienst in Deutschland teilgenommen habe, war über die leere Kirche
und die vielen Grabsteine in der Kirche schockiert. Augenblicklich spürte
ich, dass ich meinen Wohnsitz falsch gesucht habe!!
3.
Der Fisch weiß nichts von Wasser, wenn er einfach im Wasser bleibt.
Umgekehrt erkannte ich es erst, nachdem ich nach Deutschland und Europa als
der Wurzel des Christentums gekommen bin, dass die Kirche in Korea von der Kirche
in Deutschland zu lernen hat. Natürlich war ich erstaunt über die
leere Kirche. Aber meine Betrachtungsweise war sehr oberflächlich. Nach
einiger Zeit, habe ich entdeckt, dass die Evangelische Kirche in Deutschland
mit verschiedenen Landeskirchen und mit kirchlichen Organisationen trotz mancher
Unterschiede einig ist. In Korea wäre das undenkbar.
4.
Die enge Beziehung zwischen Staat und Kirche und das System der Landeskirchen
ermöglichen, dass sich der kirchliche Einfluß nicht auf eine einzige
Kirche konzentriert, sondern dass alle Kirchen ihre diakonischen Aufgaben wahrnehmen
können. Ich fand, dass die Kirche in Deutschland nicht nur nach innen orientiert
ist, sondern auch in die Welt wirkte und wirkt. Vor einigen Monaten hat das
Diakonische Werk alle seine Stipendiaten zum 29. Deutschen Evangelischen Kirchentag
eingeladen. Hier sah ich die Realität und die innere Kraft der Kirche in
Deutschland.
Vor allem interessierte ich mich für das Diakonische Werk. Weil Diakonie
in Korea hauptsachlich auf die kirchengemeindlicher Ebene organisiert ist. Durch
das Interesse für das Diakonische Werk beschäftigte ich mich intensiv
mit Johann-Hinrich Wichern(1808-1881), der als der Vater der Diakonie bezeichnet
wird. Er hat am 22. September 1848 auf dem Kirchentag in Wittenberg geredet
: "Die Liebe gehört mir wie der Glaube." Diese Rede begeisterte mein Herz
und meine Seele, und ich bin sehr beeindruckt von ihr. Heutzutage besteht für
die Kirchen in Korea die Tendenz, dass das Interesse für die Diakonie immer
mehr steigt. Die 153 Jahre alte Tradition und Erfahrung werden für die
Zukunft der Kirche in Korea eine gute Lehre sein.
5.
Erstaunlich ist, dass ich mir der dunklen Schatten und das Leiden der dritten
Welt gerade im reichen Europa bewusst geworden bin. Es ist für mich eine
wichtig Erfahrung. Besonders denke ich an das traurige Bild Afrikas, Asiens,
Südamerikas und Osteuropas, in unserer gemeinsamen Welt. Fünf Millionen
Menschen in der Welt leiden jetzt unter großem Hunger. Es sterben jeden
Tag eine Viertel Million Menschen auf unser Welt. Wir leben auf der gleichen
Erde. Aber nicht in einem Gleichgewicht. Die Reichen werden immer reicher und
die Armen immer ärmer. Ich erinnere mich an das Wort von Wolfgang Borchert
: "Wir sind die Generation ohne Bindung und ohne Tiefe. Unsere Tiefe ist Abgrund.
... So sind wir die Generation ohne Gott." Meine Erfahrung in Deutschland führen
mich bisher zu vielen Fragen, die ich noch nicht beantworten kann.
"Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick
mit uns seufzt und sich ängstet" (Römer 8, 22). Ich sehe, dass die
Kirche und das Diakonische Werk sich für die ganze Schöpfung interessiert.
Auch sehe ich, dass der ÖRK für die »Überwindung von Gewalt!«
arbeitet. Das sind wichtige ökumenische Prozesse, die unbedingt fortgeführt
werden sollten.
6.
Die kirchlichen und kulturellen Unterschiede zwischen Korea und Deutschland
sind für mich eine Herausforderung dafür, wie ich als Christ und Theologe
existieren kann. Obgleich sie auch groß ist, nehme ich gerne die Herausforderung
an. Ich glaube, dass dieser Weg von ökumenischem Geist geprägt ist.
Ich entsinne mich an das Wort meines Professors, dass Theologie im Grunde genommen
immer ökumenisch sei!
Ich bedanke mich höflich und herzlich beim ÖRK und dem Diakonischen
Werk der EKD für die Einladung, die mir neue überraschende ökumenische
Erfahrung in Deutschland und der Welt ermöglicht. Ich wünsche mir,
dass ich bei meiner weiteren Arbeit für die Promotion in Deutschland Gottes
Wille finde.
Gottes Friede geht durch die Welt!
Ein Bericht als Stipendiat des ÖRKs
(15. 08. 2001)
ÀüöÀÇ ½ÅÇе¿³× | http://theology.co.kr