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Askese
I. Religionsgeschichtlich
Während das griech. Wort askêsis, das Übung oder Pflege bedeutet, im Griechentum vorwiegend einen positiven Sinn hat, bezeichnet es im modernen Sprachgebrauch, wohl durch den Pythagoreismus beeinflußt, eine negative Haltung zur Erreichung positiver religiöser Ziele. Der Begriffsumfang wurde also beschränkt auf die Überwindung bestimmter Grundtendenzen menschlichen Lebens, die der Verwirklichung religiöser Ziele entgegenwirken. Dem Ziel des Gottesumgangs steht die kultische Unreinheit (Rein und unrein) entgegen. A. ist hier daher temporäre Enthaltung von verunreinigenden Dingen (z. B. Speisen; Fasten) oder Funktionen (z. B. sexuellen; Keuschheit). Die Gewinnung höherer Macht wird durch hemmungslose Hingabe an die Fülle der Lebensgüter verhindert. A. wird daher hier zur Verengung der Lebenstendenz zwecks Lebenssteigerung. Dem Gewinn göttlichen Wohlwollens steht egoistisches Handeln entgegen; A. wird unter diesem Aspekt dann zur verdienstlichen Leistung, zum Opfer. Wo man die Bindung der Seele an den Körper für unheilvoll ansieht, erscheint A. als körperliches Training ( Yoga) zur Entmächtigung des Körpers. Sofern auch der Seele religiös negative Tendenzen (Triebe, Leidenschaften) innewohnen, wird A. zum geistigen Bemühen um deren Ausschaltung. Dem Ideal einer permanenten vita religiosa z. B. im Mönchtum entspricht die Haltung des Berufsasketen, der die Welt radikal und in jeder Form überwindet. Vorzugsweise begegnet A. in mystischen Religionen (Mystik) mit weltanschaulichem Dualismus.
& O. ZÖCKLER, A. u. Mönchtum, 1897/98 - CHANT, Reg. - RGG2 I, 570 ff. - K. SCHELDERUP, Die A., 1928 - RAC I, 749 ff. (Lit.) - VAN DER LEEUW, Reg. G. Mensching
II. In Israel
Sofern A. von einer dualistischen Grundhaltung aus die Abtötung des diabolisierten Körpers bedeutet, um das »Beste« im Menschen, die Seele, zu befreien (van der Leeuw), hat es in Israel keine A. gegeben. Ein Gegensatz zu Jahwe ist durch die menschliche Sünde gegeben; Brauch und Überlieferung zeigen, was als schädlich und sündig zu meiden ist. Daher fehlen besondere Begriffe für A. und asketisches Handeln im at. Hebräisch. Andererseits treten aus bestimmtem Anlaß askeseähnliche Erscheinungen auf, für die in einzelnen Fällen auch eine besondere Terminologie vorhanden ist. a) Fasten ist verbunden mit dem Purimfest (Est 9, 31), mit dem Versöhnungstag (Lev 16, 29-31; 23, 26-32) und dem Jahrestag der Eroberung Jerusalems (Sach 7, 3 ff.) (Feste: II). Ein Bußfasten mit anschließendem Sündenbekenntnis erscheint 1Sam 7, 6; ein ähnliches Fasten nennt Jer 36. 1Kön 21, 5 ff. führt die Ansetzung eines solchen Fastens auf einen königlichen Befehl zurück. Vgl. ferner Ri 20, 26; Jon 3, 5; Jo 1, 14; 2, 12. Ein Bußfasten beschreibt Jes 58, 3 ff. Auch einzelne Personen unterziehen sich büßendem Fasten (2Sam 12, 16ff: David; 1Kön 21, 27-29: Ahab; Ps 35, 13; 69, 11 f). Öfter erscheint das Fasten in Verbindung mit der Totenklage (1Sam 31, 13; 2Sam 1, 12; 3, 35). Nach Esr 8, 21 steht das Fasten in Beziehung mit Bittgebeten. Dies läßt sich durch die nachexilische Zeit hindurch verfolgen. Mit Fasten bereitet sich Daniel auf den Empfang einer Offenbarung vor (Dan 9, 3; 10, 3. 12). Gelegentlich wird das Fasten begleitet vom Anlegen des Trauergewandes (Jon 3, 5; Dan 9, 3; Ps 35, 13); es wird auch bei Nacht nicht abgelegt (1Kön 21, 27-29). David liegt während des Fastens auf dem Boden (2Sam 12, 16). Legendäre Erzählungen berichten von lange währendem Fasten. So spricht Ex 34, 28 von vierzigtägigem Fasten des Mose; ähnlich dürften die 40 Tage/40 Nächte bei Elias Wanderung zum Horeb (1Kön 19, 6-8) zu verstehen sein. b) Enthaltung vom Wein ist für die Priester vor Ausübung ihres Dienstes verbindlich (Lev 10, 9; Ez 44, 21). Die Rekabiter dürfen weder Wein trinken noch einen Weinberg bepflanzen oder in Besitz haben (Jer 35). Ebenfalls ist der Nasiräer vom Weingenuß ausgeschlossen (Am 2, 11; Ri 13, 14; Num 6, 3 ff.). c) Enthaltung vom geschlechtlichen Umgang wird für das Nahen zum Gottesberg gefordert (Ex 19, 15). Ebenfalls darf heiliges Brot nur genossen werden, wenn eine solche Enthaltung geübt worden ist (1Sam 21, 5). Geschlechtliche Verunreinigung schließt vom Kult aus (Lev 15, 16-18). Auch für den Krieger gilt diese Forderung (2Sam 11, 11). Der Priester unterliegt außerdem bestimmten Beschränkungen hinsichtlich der Eheschließung (Lev 21, 7. 13 f). Auch die at. Gelübde müssen als ein Zeichen der Enthaltung angesehen werden. Beispiele bieten Num 30, 3 ff.; 1Sam 1, 10 ff.; Spr 20, 25. In diesem Zusammenhang muß auch die Enthaltung von der Arbeit an Fest- und Sabbattagen genannt werden (Am 8, 5; Lev 23, 3. 7 usw.; Jes 58, 13 u. ö.), die dem späteren Diasporajudentum zahlreiche Konflikte mit der Umwelt eintrug und somit ihren askeseähnlichen Charakter unter Beweis stellte. Der Sendungsauftrag stellte die Propheten oft vor Enthaltungsforderungen, z. B. das Eheverbot für Jeremia (Jer 16, 1 ff.). Prophetische Symbolhandlungen nötigen zu Unbequemlichkeit, Nahrungs- und Wasserentzug (Ez 4, 9 ff.). Besondere Kleidung und vielleicht Stigmata kennzeichnen sie als Propheten (1Kön 20, 35 ff.; Sach 13, 4 ff.). 2Kön 2 deutet wohl auf askeseähnliche Züge der Lebensweise bei Prophetengruppen. Zusammenfassend ist zu sagen, daß die einer A. ähnlichen Handlungen in Israel nie Selbstzweck sind, sondern stets in inniger Verbindung mit Jahwe stehen, dem gegenüber die begangene Sünde oder das allgemeine Sündenbewußtsein zu asketischen Bußhandlungen treibt. Dieses Urteil darf ungeachtet der Verwurzelung der einzelnen Akte im Tabu-Glauben (Speisegesetze!) oder im Totenkult und verschiedenen Trauerriten gelten. Als Erscheinungen eines Kulturprotestes sind sie höchstens sekundär zu werten. Die Anschauung vom Aufhören des Fleischgenusses in der Endzeit steht im Dienst des Glaubens an die vollkommene Schöpfung Gottes, die in der Urzeit keinen Fleischgenuß kannte (Jes 11, 6 ff.; Gen 1, 29 f.; 9, 2 ff.).
& ERE II, 65 ff. - P. VOLZ, Die biblischen Altertümer, (1914) 19262 - A. WENDEL, Das israelitisch- jüdische Gelübde, 1931 - ThW I, 492 ff. - J. HEMPEL, Das Ethos des AT (BZAW 67), 1938 - RAC I, 750 ff. H. Bardtke
III. Im Judentum
1. Das Judentum ist von Haus aus, schon vom AT her (Askese: II), seiner Struktur nach unasketisch. Zwar kennt es Enthaltsamkeitsgelübde, vor allem in der Einrichtung des Nasiräats, bei dem Enthaltung von Wein und Rauschtrank und das Wachsenlassen der Haare gefordert war (Nasiräer). Eine besondere Bedeutung hat auch das Fasten als Bußübung, insbesondere als Gebetsfasten (Montag und Donnerstag waren die beiden wöchentlichen Fasttage; vgl. Lk 18, 12). Doch ist das alles nicht A. im eigentlichen Sinne, sondern einfache Frömmigkeitsübung. Eigentliche A. liegt erst dort vor, wo »Leib« und »Seele« bzw. »Fleisch« und »Geist« unterschieden und als Gegensatz gesehen werden. Dieses dualistische Denken findet sich im palästinischen Judentum bei den Essenern, wie sowohl die Darstellungen des Philo und Josephus als auch die Texte von Qumran zeigen. In diesen bezeichnet »Fleisch« den Menschen in seiner Geschöpflichkeit, die als Sphäre des Sündigens verstanden wird (vgl. z. B. 1QS XI, 7-12; 1QH 4, 29 u.ä.). Die Hinwendung des Menschen zu Gott wird nur möglich, indem er das »Fleisch« in strenge Zucht nimmt, damit es für ihn nicht Anlaß zum Sündigen wird. Hier gibt es also im Gegensatz zum sonstigen Judentum echte A. im Sinne soldatischer Zucht und Haltung im Kampf gegen Satan und die gottfeindliche Welt, in der wachsamen Bändigung des »sündigen Fleisches«. So sind fortlaufende Lesung der Tora und die Pflicht für die Ordensmitglieder, den dritten Teil aller Nächte mit Schriftstudium und gemeinsamem Gebet zu durchwachen (1QS VI, 6-8), charakteristische Kennzeichen dieser Haltung des »Wachens und Betens« (vgl. dazu Mk 14, 38). Die Essener sind »Arme« ('æbjônîm) und führen diese Selbstbezeichnung als Ehrentitel (Armut: I, 1). Geld und Gelderwerb gelten als böse und verwerflich (z. B. Dam VIII, 7; XIX, 17-19; äthHen 97, 8). Der Essener lebt persönlich mittellos. Der Orden hat Gütergemeinschaft. Jeder übergibt beim Eintritt sein privates Vermögen dem Orden. Kleidung und Nahrung sind auf das Lebensnotwendigste beschränkt. Wein haben die Essener vielleicht gar nicht getrunken (merkwürdigerweise heißt der Trank bei den essenischen Kultmahlen immer »Most« [tîrôs], nie »Wein« [jajin]; vgl. 1QS VI, 5 f; 1QSa II, 17 ff.). Auch die geschlechtliche A. wird bei ihnen geübt, und zwar bei den eigentlichen Essenern nach Josephus und Philo in der strikten Form des völligen Zölibats (so auch in den Qumrantexten). Der Grund dafür ist nicht, daß die Essener alles Geschlechtliche als sündig und verwerflich gesehen hätten (dem stand das at. Gebot entgegen). Es geht ihnen also nicht um die Abtötung des Fleisches und die Befreiung vom Leib (diese Konsequenz findet sich erst im Bereich hellenistischer Umwelt), sondern um Inzuchtnahme des Fleisches durch Enthaltsamkeit, weil das Weib leicht zum Sündigen verführt. Und zum anderen geht es, da man durch geschlechtliche Dinge leicht kultisch unrein wird, um die Wahrung der für den Essener notwendigen priesterlichen Reinheit und Heiligkeit (vgl. Dam VII, 6 f). Daneben begegnet auch eine Gruppe von Essenern, die ehelich leben (bei Josephus, Bell. Jud. II, 160 f; Dam V, 6 f). Aber bei ihnen ist der geschlechtliche Umgang nur auf die tatsächliche Kindererzeugung beschränkt. In den Bereich dieser essenischen A. gehört auch die Forderung der Einehe auf Lebenszeit (die Frau soll in ihrem Leben nur einen Mann haben: 4Makk 18, 7 f; Jdt 16, 23; dazu Lk 2, 36 f; die entsprechende Forderung für den Mann findet sich Dam IV, 21 und wird in den Past. für den Bischof der christlichen Gemeinde wieder aufgenommen: 1Tim 3, 2; Tit 1, 6). Diesem Gesamtbild essenischer A. fügen sich auch die Testamente der 12 Patriarchen ein, die darum hier nicht besonders erörtert werden. 2. Im Bereich des hellenistischen Judentums ist vor allen Dingen Philo zu nennen, dessen asketisches Ideal eben die Essener sind. (Die Therapeuten, die er in »De vita contemplativa« als das Muster hinstellt, sind nichts anderes als eine ägyptische Abzweigung des palästinischen Essenerordens.) Bei Philo wird aber dieses asketische Ideal begründet aus griechisch- philosophischer Tradition. Für ihn ist der Körper materielle Fessel. Man soll ihn deshalb in der A. abstreifen. Erst dadurch kommt der Geist zur Vollkommenheit in der unio mystica mit Gott. Das sind Gedanken, die ihre breite Entfaltung dann in der Gnosis gefunden haben und die auch wesentlich geworden sind für die Entstehung des christlichen Mönchtums. 3. Das rabbinisch-talmudische und von da aus das gesamte spätere Judentum kennt in Fortführung der at.-pharisäischen Linie keine A., sondern beschränkt sich auf das aus der Tradition überkommene Fasten. Zeitweilig (vor allem im Mittelalter) auftretende asketische Tendenzen konnten sich nicht durchsetzen und wurden stets als heterodox verdächtigt. Wie der Chassidismus des 18. Jh.s zeigt, gedeiht im Judentum auch mystische Frömmigkeit ohne jede asketische Tendenz.
& ERE II, 97 f. - I. ELBOGEN, Der jüdische Gottesdienst, (1913) 19313, 126 ff. - JewEnc II, 165 ff.; V, 347 ff. - EJud III, 525 ff. - RAC I, 750 ff. K. G. Kuhn
IV. Im Urchristentum
1. Johannes der Täufer 2. Jesus 3. Die palästinische Urgemeinde 4. Die hellenistische Gemeinde und Paulus 5. Spätere Entwicklung
1. Wie sich heute an Hand der Texte von Qumran zeigt, hat Johannes der Täufer in engem Zusammenhang mit der essenischen Gemeinschaft gestanden. Wahrscheinlich war er zunächst Mitglied dieses Ordens und ist dann wegen seiner, der essenischen gegenüber veränderten, Taufpraxis ausgetreten oder ausgeschlossen worden. Seine Ehelosigkeit, einfachste Nahrung und Kleidung (vgl. Mk 1, 6; ferner Lk 1, 15; 7, 33 par) und offensichtlich auch Armut (Besitzlosigkeit) sind jedenfalls Züge essenischer A. Bei Johannes waren diese Lebensformen wahrscheinlich auch nicht eschatologisch, mit seiner Verkündigung vom demnächst hereinbrechenden Ende und Weltgericht begründet, sondern ähnlich wie bei den Essenern als Heiligkeits-A. (Lk 1, 15). Ob und wieweit er von seinen Jüngern die gleichen Lebensformen verlangt hat, läßt sich schwer sagen (war vielleicht die Ehe- und Besitzlosigkeit für Jesus schon von der Zeit seines Johannesjüngertums her feste Lebensregel?). In bezug auf Nahrung und Kleidung kannten seine Jünger jedenfalls keine A. im besonderen Sinne. Ihr Fasten (Mk 2, 18 par) zeigt nur, daß sie im Rahmen der gottesdienstlichen Ordnung des gesamten Judentums standen. 2. Jesu Verkündigung ist die Freudenbotschaft von der hereinbrechenden Gottesherrschaft (Mk 1, 15), die in seinem Wirken in Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen schon geschieht (Lk 11, 20). Darum fasten seine Jünger nicht (Mk 2, 18), weil seine Gegenwart und sein Wirken göttliche Freudenzeit bedeuten. Dem Charakter seiner Botschaft entspricht auch die freie und offene Lebenshaltung Jesu, die sich in der völlig unasketischen Unbefangenheit seines Umgangs mit der Welt (Frauen, Zöllner, Sünder) zeigt. Aber diese Unbefangenheit ist getragen von dem Ernst des Bewußtseins des Handelns Gottes durch ihn und von der Radikalität seines Rufes zur unbedingten Nachfolge (Lk 14, 33; vgl. Lk 9, 62; 12, 33; Mk 10, 17-31 und Mt 10, 38 f; 16, 24 f usw.). Reichtum, Geld und Besitz sind unvereinbar mit der Nachfolge Jesu und mit der Gottesherrschaft (Lk 16, 19-31; Mk 10, 25 par); nur der wirklich Arme wird ihrer teilhaftig (Lk 6, 20), wie auch Jesus selbst in völliger Armut lebte (Lk 9, 58 par). Besonders Lukas betont die »ebionitischen« Züge, speziell das Armutsideal, in der Verkündigung Jesu; tatsächlich handelt es sich dabei um essenisch-asketische Züge, die durch die judenchristliche Gemeinde übernommen wurden, ebenso wie ihre Selbstbezeichnung als 'æbjônîm, »Arme«. - Jesus selbst lebt ehelos, ohne doch von seinen Jüngern prinzipiell Ehelosigkeit zu verlangen. Aber Jesus begründet, sehr im Unterschied zu der Begründung des Zölibates bei den Essenern, die religiöse Ausnahme, ehelos zu leben, eschatologisch (Mt 19, 12), mit der Größe und Dringlichkeit der Botschaft von der hereinbrechenden Gottesherrschaft. Aufs Ganze der Verkündigung Jesu gesehen ist zu sagen, daß das Ja zu Gott als Schöpfer und Erhalter des Lebens und damit auch das Ja zum Menschen und zu seiner Leiblichkeit so stark ist, daß eigentlich asketische Motive und Tendenzen weder in seinem Leben (»Er ist ein Fresser und Weinsäufer«, sagen seine Gegner, Mt 11, 19!) noch in seiner Verkündigung wirksam sind. 3. Die Grundlinie der Haltung Jesu bleibt auch in der nachösterlichen palästinischen Gemeinde wirksam. Von asketischer Haltung ist darum bei ihr nicht die Rede, weder in bezug auf Nahrung und Kleidung noch hinsichtlich des Geschlechtslebens. Zwar schließt sich die Gemeinde nun, da ihr Herr von ihr gegangen ist, bis zu seiner Parusie wieder der jüdischen Sitte des Fastens an (Mk 2, 20), wobei sich später die christliche Gemeinde vom Judentum distanziert durch Verlegung der wöchentlichen Fasttage auf Mittwoch und Freitag (Did 8, 1). Aber das fällt nicht unter den Begriff A. Essenischen Lebensformen folgen sie lediglich in bezug auf das Armutsideal und die Gütergemeinschaft innerhalb der Gemeinde (Apg 2, 44 f; 4, 32 - 5, 10). 4. Beim Übergang in die hellenistische Gemeinde wird auch diese letzte essenische Lebensform aufgegeben. Nun aber werden aus der hellenistischen Umwelt andere Kräfte wirksam, die eine wirkliche A. fördern und begründen. In der korinthischen Gemeinde z. B. entsteht schon in den ersten Anfängen aus einer Abwertung des Leiblichen und einer Überbewertung des Pneumatischen die Forderung des asketischen Verzichtes auf eheliches Leben, eine Haltung, mit der sich Paulus 1Kor 7 auseinandersetzt. Die Korinther denken dabei in dem stofflich-naturhaften Gegensatz von sinnlich-irdischer und geistig-himmlischer Substanz im Menschen. Darum wird hier Ehe und Geschlechtlichkeit als der niedrigen Sphäre der Sinnenwelt zugehörig abgelehnt. Paulus beruft sich ihnen gegenüber auf das at.-jüdische Ja Gottes zu Ehe und Fortpflanzung (1Kor 7, 28. 36). Dennoch neigt er selbst dem Prinzip der Ehelosigkeit zu, das er in seinem eigenen Leben verwirklicht und auch den Korinthern anempfiehlt (1Kor 7, 7 f.). Aber - und das ist entscheidend - seine Begründung für diese A. ist eine andere als die der Korinther; einmal eschatologisch: Die Zeit drängt bis zum bevorstehenden Ende, und man sollte sich daher nicht mehr mit Ehe und Kindern belasten (1Kor 7, 28 f); zum anderen christologisch: Die unbedingte Hingabe an den Herrn fordert Totalität und verbietet die Geteiltheit mit der Hingabe an den Gatten (1Kor 7, 32 ff.). Beides sind Begründungen, die, in anderer Form zwar, aber im gleichen Sinne, schon bei Jesus selbst begegnen. Asketische Tendenzen in bezug auf Nahrung und Besitz finden sich bei Paulus nicht. 5. Die bei der korinthischen Gemeinde beobachtete hellenistische Haltung findet in der Folgezeit in der Gnosis (: III) ihren kräftigen Ausdruck und systematische Durchbildung. So finden sich bei den gnostisierenden Gegnern in Kol 2, 21 ff. Tendenzen zur Nahrungs-A., und die gnostischen Gegner in 1Tim 4, 3 verlangen außer der Nahrungs-A. auch geschlechtliche Enthaltung. Aber in beiden Fällen wird diese Haltung mit ihrer Begründung in einem gnostisch-substanzhaften Denken, das den Leib als stofflich schlecht verwirft zugunsten des Pneuma als himmlischer Lichtsubstanz, scharf abgelehnt mit dem Hinweis auf Gott als den Schöpfer auch des Leiblichen (1Tim 4, 3 f). Diese Antithetik ist in der alten Kirche bestimmend geblieben: Auf der einen Seite die gnostisch-dualistische A. (typisches Beispiel: das gnostische ÄgEv [Fragm. C], das Jesus sagen läßt: »Ich bin gekommen, die Werke des Weiblichen aufzulösen«) und von da aus die religiöse Höherbewertung des weltverneinenden Asketen gegenüber einem christlichen Leben in der Welt, Motive, die dann zum christlichen Mönchtum weiterwirken; auf der anderen Seite der Hinweis auf das Schöpfungs-Ja Gottes zur Welt und zur Leiblichkeit als Begründung des christlichen »In- der-Welt-Seins«, damit zugleich aber auch des mannhaften Kampfes gegenüber dem Gefährdetsein als Christ durch dieses »In-der-Welt-Sein«. Das sind Gedanken, die aus at.-jüdischer Tradition stammen und durch Jesus ebenso wie durch Paulus zum Grundmotiv christlicher Ethik wurden.
& ERB II, 73 ff. - H. STRATHMANN, Gesch. der frühchristl. A. I, 1914 - H. PREISKER, Christentum u. Ehe in den ersten drei Jh.en, 1927 - G. DELLING, Die Stellung des Paulus zu Frau u. Ehe, 1931 - PW Suppl.-Bd. VII, 1940, 50 ff. - H. V. CAMPENHAUSEN, Die A. im Urchristentum (SgV 192), 1949 - RAC I, 758 ff. (Lit.). K. G. Kuhn
V. In katholischer und protestantischer Ethik
1. Begriff der A. 2. Kath. A. a) als Gebot, b) als Rat 3. Der reformatorische Protest gegen die kath. A. 4. Innerweltliche A. 5. Neue Ansätze in der ev. Ethik
1. Eine Verständigung zwischen kath. Moraltheologie und ev. Ethik über Recht und Bedeutung der A. für das christliche Leben ist deshalb schwierig, weil zwar hüben und drüben derselbe Begriff verwendet wird - auf kath. Seite freilich meist in der Form Ascese oder Aszese-, aber eine verschiedene Bedeutung hat. In der kath. Moraltheologie ist die A. zwar auch auf die Schwächung der sinnlichen Triebe bzw. die Beherrschung des niederen Teiles der Menschennatur gerichtet; aber etwa alles, was nur irgendeinen Bezug darauf hat, gehört mit zur A.: inneres und mündliches Gebet, Sakramentsempfang, Lesung geistlicher Schriften, Abtötung, Gehorsam gegen einen Seelenführer usw. Ascetik kann als Wechselbegriff für Tugendlehre überhaupt gebraucht werden, und Erbauungsbücher jeder Art bezeichnet man als ascetische Schriften. Wenn man zu einer sinngemäßen Konfrontierung kommen will, muß man das, was in der kath. Morallehre Abtötung (mortificatio) heißt oder was unter dem Thema der Evangelischen Räte abgehandelt wird, mit dem vergleichen, was in einer ev. Ethik als A. bezeichnet ist. Wenn hier im Blick auf das kath. Denken von A. gesprochen wird, geschieht das in dem einschränkenden Sinne ev. Begriffsbestimmung. Auch in der ev. Ethik wird der Begriff der A. vielfach sehr weit, allzuweit gefaßt. Es besteht z. B. Neigung (R. Seeberg), die demütige Bereitschaft, das auferlegte Kreuz des Lebens geduldig zu tragen, schon als A. zu bezeichnen (s. 4) Aber man sollte vom Wortsinn nicht allzuweit abgehen (askêsis = die körperliche Abhärtung des Sportlers, philos. = die sittliche Zuchtübung) und als A. lediglich die aktiven - zeitweisen oder anhaltenden - Verzichtübungen ansehen, die der Christ sich zur Bannung seiner Triebhaftigkeit und zur Förderung seines geistlichen Lebens auflegt (W. Elert handelt in seiner Ethik überhaupt nicht mehr von der A., sondern nur noch von Verzicht). Auf alle Fälle wird A. geübt, und die passiven Tugenden wie Demut und Geduld sind etwas anderes als A. 2. Für das kath. Christentum ist ein christliches Leben ohne A. unvorstellbar. Die mittelalterlichen Formen der kath. A. (Verzicht auf Sauberkeit oder auf zusammenhängenden Schlaf, dauernde Reizung der Haut durch Dornen, Ketten, Steine, Leben in ungeheizten Räumen, übermäßiger Nahrungsverzicht usw.) dürften im allgemeinen abgeschafft sein. Das asketische Prinzip ist heute wie ehedem in Geltung. a) Dabei steht die A. einerseits unter dem Gebot (praeceptum), ist also Pflicht für alle Christen. Völlerei gehört zu den 7 Hauptsünden (Sünde: V), und Mäßigkeit, auch im Sinne etwa der Beschränkung der Nahrungsaufnahme, ist eine der Kardinaltugenden (Tugend). Aus dem strikten Verbot der Verwendung konzeptionsverhindernder Mittel (Geburtenregelung) können sich harte Verzichtspflichten ergeben. Die Fastengebote, die jeden Katholiken binden (Fasten: II), sind zwar nicht mandata Dei, aber als mandata ecclesiae von gleicher Verbindlichkeit. Unter der Pflicht des Gehorsams (Verzicht auf den eigenen Willen) gegen den Papst, den Bischof, den Beichtvater steht ebenfalls jeder gläubige Katholik. Akte der Abtötung sind wie alle guten Werke verdienstlich. Übung von A. in der dargetanen Weise ist eine unbedingte Voraussetzung für den Erwerb der christlichen Vollkommenheit und das Erlangen der ewigen Seligkeit. b) Von noch größerer Bedeutung als die A., die unter dem praeceptum steht und allen Gläubigen abgefordert wird, ist diejenige, die consilium ist und nicht unbedingt von jedermann geleistet werden muß (Evangelische Räte; zur Unterscheidung von praeceptum und consilium vgl. 1Kor 7, 25 Vulg.). Allerdings ist A. als consilium nicht einfach identisch mit der Mönchs-A. Es ist durchaus möglich und für den einzelnen vielleicht sehr rätlich, auf Zeit unbedingte sexuelle Kontinenz zu üben (in der Ehe; außerhalb dieser ist sie natürlich geboten), sich einer völligen Seelenführung zu unterstellen, ein Leben der Armut zu führen oder außerordentliche Fastenpflichten zu übernehmen. Jedem Katholiken wird auf mancherlei Wegen angeraten zu erkunden, in welcher Sonderneigung sich bei ihm die sinnliche Gier in besonderer Weise durchsetzt, und durch Akte der Abtötung die gefährliche Neigung zurückzudämmen. A. als consilium steht also auch über dem Katholiken, der in der Welt lebt und Laie ist. - Im qualifizierten Sinne besteht A. als consilium freilich in den durch Gelübde für die Lebensdauer zu übernehmenden Pflichten des vollkommenen Verzichtes auf persönlichen Besitz (Armut: III), der vollkommenen Enthaltsamkeit vom Verkehr mit dem anderen Geschlecht (Keuschheit: II) und der freiwilligen Unterordnung unter den Befehl eines Oberen (Gehorsam). Nach der klassischen, thomistischen Doktrin ist der durch die dauernde Übernahme geratener asketischer Leistungen erworbene Habitus nicht identisch mit der christlichen Vollkommenheit. Vielmehr ist er nur der bessere und weniger hindernisreiche Weg zu ihr (»consilia vero oportet [sc. data] esse de illis, per quae melius et expeditius potest homo consequi finem praedictum [sc. aeternae beatitudinis]«; Thomas von Aquino, S. Th. 1, 2 qu. 108, a. 4). Die christliche Vollkommenheit besteht »essentialiter« im Doppelgebot der Liebe; nur »instrumentaliter« besteht sie u. a. in den angeratenen Verzichtleistungen. Freilich ist der biblische Hauptbeleg das Evangelium vom reichen Jüngling (Mt 19, 16 ff. par); und von daher wird auch in modernen Lehrbüchern der Moraltheologie immer wieder festgestellt, daß die, die den asketischen Weg gehen, einen besonderen Lohn zu erwarten haben, daß ihre Leistungen opera supererogatoria und demnach noch in anderem Sinne verdienstlich sind als alle guten Werke, daß ihnen besondere Gnaden zuteil werden und daß sie eine höhere Vollkommenheit erlangen als die, die allein die Gebote halten. Daß das dualistische Erbe in der kath. A. immer noch lebendig ist, wird am Zölibat (, 2) deutlich, dem die Vorstellung zugrunde liegt, daß das Leibliche minderwertig ist und daß die Betätigung des fleischlichen Triebes deshalb kultisch unrein macht. 3. Die Reformation mußte mit der A. der mittelalterlichen Kirche radikal brechen. Eine ganze Reihe von Motiven sind im Kampf gegen die A. wirksam geworden. Von der Rechtfertigung aus dem Glauben her wurde jede meritorische Wertung der A. unmöglich. Das luth. Sündenverständnis schloß die Vorstellung von opera supererogatoria unbedingt aus. Daß Luther schon seit seiner Frühzeit unentwegt betonte, daß die Grundsünde, in der alle anderen Sünden ihre Wurzel haben, die Sünde gegen das erste Gebot sei, die superbia, die praesumptio, der Unglaube, und damit alle »opera speciosa« von vornherein unter Verdacht stellte, bedeutete zugleich eine Kampfansage gegen alle asketischen Werke. Ihre Pflege erweckt einerseits den falschen Schein, als ob die eigentliche Sünde vom Fleische, vom leiblichen Sein herkomme - statt aus dem ungläubigen Herzen; andererseits wird das augenfällige oder gar sensationelle asketische Leben nur allzuleicht zum Ausdruck geistlicher Eitelkeit und Selbstgefälligkeit. Insbesondere dem Zölibat gegenüber führte die Reformation noch etwas anderes ins Feld (ca. XXIII; vgl. zum Thema der A. auch die Art. XXVI und XXVII): A. als Unterdrückung natürlicher Funktionen ist ein freventliches »creationem mutare«: »Mandatum Dei et ordinationem Dei nulla lex humana, nullum votum tollere potest.« Es ist einerseits nicht verwunderlich, daß die prot. Theologie, speziell die der luth. Kirche, die der guten Schöpfung Gottes ihr volles Recht zu geben trachtete, auf die Dauer eine starke Abneigung gegen alles, was A. heißt, behalten hat. Andererseits darf ebensowenig wundern, daß gelegentlich innerprot. stark asketisch gestimmte Gegenströmungen aufbrachen (Täufer; Präzisismus; Pietismus; modernes Sektentum). 4. Unter keinen Umständen darf verkannt werden, daß Luther und der ganzen klassischen Reformation nichts ferner gelegen hat als der Wille zu einem sittlich laxen und weltfreudigen Leben. Im Kampfe gegen die kath. A. wirkte im Gegenteil ein im tieferen Sinne »asketisches« Motiv mit. Luthers Kampf gegen die Mönchswerke hat zur Kehrseite den Preis der Pflichterfüllung in den profanen Berufswerken, und zwar so motiviert, daß diese »nicht gleißen«, d. h. daß sich in ihnen kein Ruhm erwerben läßt. Das Leben in ihnen ist exinanitio, Entäußerung; so werden sie zum Felde einer echten Christusnachfolge (Nachfolge Christi) in Selbstentäußerung. Auch dadurch empfehlen sich die alltäglichen Werke, daß sie mühselig und sauer sind. In Luthers Obrigkeitslehre ist das Leidensmotiv von nicht geringer Bedeutung (Auseinandersetzung um Mt 5, 38 ff.). Im Ethos der ref. Welt sind in anderer Weise »asketische« Motive wirksam geworden. Der Wille zum unbedingten Gehorsam gegen das Gesetz Gottes und das Bestreben, sich der eigenen Erwählung zu vergewissern, gaben dem ganzen Leben einen Zug des Ernstes, der Einschränkung, des Arbeitsfleißes und der Scheu vor irgendwelchen und sei es noch so geringen Ausschreitungen. Allein die strenge Sonntagsheiligung schloß stärkste Verzichte ein. Insbesondere im Blick auf die Entwicklungen im Calvinismus haben Max Weber und Ernst Troeltsch von einer »innerweltlichen A.« gesprochen. In der modernen luth. Ethik spricht man lieber von »innerer A.« oder betont (Elert), daß wahrer Verzicht ein echtes absconditum ist. Es bestehen dann nebeneinander: Freude an allen guten Gaben Gottes und das paulinische »haben, als hätte man nicht« (1Kor 7). Dabei kommt auch das eschatologische Motiv der urchristlichen A. wieder zu seinem Recht. Thielicke spricht davon, daß die stöhnende und schnaufende Arbeit und die A. sich hinter dem »Lächeln des Spiels« verstecken und verbergen (Ethik II, 1, Nr. 1640). Freilich wird fraglich, ob man hier im strengen Sinne noch von A. sprechen kann, da es sich kaum noch um bewußte Übung handelt. Aber vielleicht darf trotzdem die Rede von einer »A. unter dem ersten Gebot« gewagt werden. 5. Das letzte Wort über die A. als Gegenstand auch einer ev. Sittlichkeit ist mit all dem Dargetanen und namentlich auch mit dem Hinweis auf die »verborgene A.« schwerlich schon gesprochen. Es läßt sich doch nun einfach nicht übersehen, daß das NT den ganz realen Verzicht einzelner Jünger kennt. Mt 19, 12 spricht Jesus von solchen, die sich zu Eunuchen machen um des Himmelreichs willen. An Selbstverstümmelung ist sicherlich nicht gedacht und auch nicht an generelle, marcionitische Ehelosigkeit. Daß ein einzelner um seines Dienstes für das Himmelreich willen auf die Ehe verzichtet, ist gewiß der Sinn der Stelle. In ähnliche Richtung weist 1Kor 7 (Askese: IV, 4). Daß Jesus von seinen Jüngern im engeren Sinn Nachfolge in seinem Leben in Armut (: I, 2) verlangt hat, geht nicht nur aus dem Evangelium vom reichen Jüngling hervor. Die reformatorische Theologie weist klar hin auf den richtigen Ansatz zur theologischen Klärung dieser biblischen Sachverhalte. Sie findet ihn im Berufsgedanken (Beruf: III). Jeder Christ hat (vgl. CA XXIII) seine Berufung und steht damit unter einem mandatum specialissimum. Man wird nicht nur sehen müssen, daß im reformatorischen Denken vom Berufsgedanken her eine Linie zur A. gezogen ist, sondern auch, daß das kath. Denken den Berufsbegriff in einem ähnlichen Bezug kennt. Man spricht von Ordensberufen und von Priesterberufen. Freilich besteht ein Unterschied: Der Katholik weiß sich durch das Gelübde (: IV) an den u. U. mit harten Verzichten verbundenen Beruf auf ewig gebunden, während der Evangelische keine unfehlbare Berufserkenntnis kennt und deshalb von einer vermeintlichen Berufung zurücktreten darf (vgl. Luthers Stellung zur Gelübdefrage). Aber Berufung zum Verzicht um des Dienstes, sowohl des profanen Dienstes als auch des Dienstes am Evangelium willen, ist im Rahmen eines ev. Ethos durchaus eine Möglichkeit. Die Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der köstlichen Perle (Mt 13, 44-46) weisen auf die Möglichkeit einer echten ev. A. Mit Nachdruck darf man jedoch fragen, ob aus dem im reformatorischen Denken vorhandenen Ansatz in der ev. Ethik der Gegenwart schon die vollen Konsequenzen gezogen sind. Die Unterscheidung von innerer und äußerer A. kennt bereits die kath. Moraltheologie. Sie weiß um die Wertlosigkeit der äußeren Abtötung ohne die innere. Umgekehrt behauptet sie, daß angesichts der Sündhaftigkeit der menschlichen Natur innere Abtötung ohne äußere nicht verwirklicht werden kann. Die Frage ist, ob eine ev. Ethik, die sich ja auf ein viel radikaleres Sündenverständnis beziehen muß als die kath., sich der in der genannten Behauptung beschlossenen Wahrheit entziehen darf. Es ist das Verdienst der Ethik von A. D. Müller, daß sie auf die Bedeutsamkeit der ganz nüchternen asketischen Übung dringlich hingewiesen hat. Freilich wird streng darauf zu achten sein, daß alle reformatorischen Antithesen gegen die kath. A. (s. 3) unbedingt in Geltung bleiben. Daß »Fasten und leiblich sich bereiten eine feine äußerliche Zucht« ist, dürfte nicht nur ein formelhafter Satz sein, der aus Luthers Kleinem Katechismus bekannt ist. Daß ein Bemühen um ein ev. Fasten Versuchungen heraufführt, ist kein Gegenargument dagegen, daß es zu geschehen hat. Der im ref. Protestantismus insbesondere heute vorhandene Zug nach ev. Klöstern und Gemeinschaften, Bruderschaften usw. steht zwar unter der Gefahr des Rückfalles in kath. Wesen, kann sich aber, wenn der Gefahr standhaft begegnet wird, als legitim erweisen.
& J. KAFTAN, Die A. im Leben des ev. Christen, 1904 - A. KÖBERLE, Rechtfertigung u. Heiligung, 1929 - R. RUNESTAM, Liebe, Glaube, Nachfolge, 1931 - R. SEEBERG, Christliche Ethik, 1936 - A. D. MÜLLER, Ethik, 1937 - W. ELERT, Das christliche Ethos, 1949 - D. BONHOEFFER, Ethik, 1949 - N. H. SØE, Christliche Ethik, (1942 dän.) 1949 - H. THIELICKE, Theol. Ethik I, 1951; II, 1, 1955 - R. HUPFELD, Ev. A. (ZSTh 23, 1954, 387-415). - J. MAUSBACH, Kath. Moraltheologie, (1920-22) I8, 1954; II10, 1954; III9, 1953 - G. STAFFELBACH, Kath. Sittenlehre, 1945 - H. FICHTENAU, A. u. Laster in der Anschauung des MA, 1948 - R. EGENTER, Die A. des Christen in der Welt, 1956. F. Lau
[Askese, S. 25 ff. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 2287 (vgl. RGG Bd. 1, S. 647 ff.) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]
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