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Frauen werden zum Rohstofflager



 SPIEGEL ONLINE - 13. Februar 2004, 12:30
URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,286175,00.html
Streit um Klon-Experiment

"Frauen werden zum Rohstofflager"

Der Durchbruch südkoreanischer Forscher beim Klonen menschlicher Embryos hat die weltweite Gen-Debatte neu entfacht. Während die meisten Politiker ein totales Verbot fordern, äußern sich andere Mediziner interessiert an einem universellen menschlichen Ersatzteillager.

Die Möglichkeit, vielleicht schon in naher Zukunft körpereigenes Gewebe im Reagenzglas nachzuzüchten, spaltet die Forschergemeinde. Der südkoreanische Projektleiter Woo Suk Hwang, dessen Team erstmals aus geklonten Embryos Stammzellen gewinnen konnte, die sich zu Vorläufern von Muskel- und Knorpelzellen weiterentwickelten, verteidigte das therapeutische Klonen.
Er lehnte es allerdings ab, die neue Technik dazu zu benutzen, Embryonen herzustellen, die in der Gebärmutter einer Frau zu einem Baby heranwachsen könnten. Ziel der Forschung sei es, die geklonten Embryonen für therapeutische Zwecke zu nutzen, bekräftigten die Forscher von der Seoul University bei einer Pressekonferenz gestern Abend in Seattle.

"Wir fordern ein Verbot des reproduktiven Klonens", sagte auch Shin Yong Moon, Direktor des Forschungszentrums, das das Klon-Projekt betreibt. "Um das reproduktive Klonen zu verhindern, möchten wir jedes Land oder jeder Nation auffordern, ein Gesetz zu erlassen."

Beim therapeutischen Klonen geht es im Unterschied zum reproduktiven Klonen nicht darum, genetisch identische Embryonen großzuziehen, sondern einzig und allein um die Entnahme von Stammzellen, aus denen Gewebe gezüchtet wird. Weil die Entwicklung der Embryos zu Föten dabei von den Wissenschaftlern gestoppt wird, ist das Verfahren ethisch umstritten und in vielen Ländern verboten - unter anderem in Deutschland.

"Frauen sehr interessiert"

Die Südkoreanischen Forscher betonten, dass die meisten Spenderinnen der beim Experiment verwendeten Eier von selbst auf das Institut zugekommen seien, nachdem sie die deren Website besucht hatten. "Einige junge Frauen zeigten sich sehr interessiert am reproduktiven und therapeutischen Klonen", sagte der Leiter der Studie Woo Suk Hwang.
Für die Bundesrepublik schloss Forschungsministerin Edelgard Bulmahn eine Lockerung der Gesetzeslage aus. "Das therapeutische Klonen ist in Deutschland verboten und wird auch verboten bleiben", sagte sie der "Berliner Zeitung". Das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellgesetz ermöglichten der Forschung, Anschluss an den internationalen Standard in der Grundlagenforschung zu halten und verspielten nicht mögliche Heilungschancen.

Auch die Union lehnt das Klonen ab. Fraktionsvize Maria Böhmer erklärte, Embryonen dürften nicht zum Zweck der Forschung hergestellt und getötet werden. Der Sprecher der Unionsfraktion in der Ethikkommission, Thomas Rachel, äußerte die Befürchtung, zur Herstellung genetisch identischer Menschen sei es nun nur noch ein kleiner Schritt.



Die FDP-Forschungspolitikerin Ulrike Flach dagegen sprach von einem hochinteressanten Forschungsergebnis und wichtigem Schritt. Wenn es gelinge, die gewonnenen Zellen zu programmieren, wäre dies ein echter Durchbruch für die Entwicklung von Therapien gegen schwere Krankheiten. Dann müsse auch das deutsche Embryonenschutzgesetz geändert werden. "Wenn die Forschung Therapiechancen für kranke Menschen eröffnet, müssen wir diese auch nutzen", betonte Flach.
Grünen-Fraktionsvize Reinhard Loske sagte, eine klare Trennlinie zwischen reproduktivem und therapeutischem Klonen existiere nicht. Die Technologie mache Frauen zu Rohstofflagern für die Forschung.

Der Erfurter Bischof Joachim Wanke erklärte, die Forscher hätten eine Grenze überschritten, indem sie 30 Embryonen getötet hätten. Selbst wenn es tatsächlich gelänge, Therapien zu entwickeln, dürfe dafür kein menschliches Leben geopfert werden. "Wir brauchen Grenzen, damit der Mensch nicht unter die Räder kommt".

"Herren über Leben und Tod"

"Wir müssen den Machbarkeitswahn stoppen und schnellstmöglich zu einem internationalen Klonverbot kommen", forderte der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. Die Forscher dürften sich nicht zu "Herren über Leben und Tod menschlicher Embryonen machen".

Auch in den USA kritisierten Politiker das Klon-Experiment. "Das ist eine alarmierende Entwicklung", sagte der Mehrheitsführer im Senat, Bill Frist, ein Chirurg, der auf die Transplantation von Herzen und Lungen spezialisiert ist. "Einen Menschen zu klonen bedeutet, von der Zeugung zur Produktion menschlichen Lebens zu wechseln", warnte Frist.



"Wir erleben, wie Frauen als Rohstofflieferant betrachtet werden", erklärte Sam Brownback, Senator der Republikaner aus Kansas. Er nannte den praktizierten Umgang mit Embryos unfair und unnötig.
Amerikanische Wissenschaftler begrüßten den Durchbruch ihrer Kollegen aus Südkorea. "Es ist eine sehr beeindruckende Studie", meinte der US-Klonexperte Robert Lanza von Advanced Cell Technology. Sie markiere offensichtlich einen großen medizinischen Meilenstein. "Ich denke, sie könnte dabei helfen, eine medizinische Revolution voranzutreiben." Lanza warnte jedoch vor voreiligen Erwartungen an einen raschen medizinischen Nutzen. Bis zu einer Perfektion des Verfahrens würden jedoch noch Jahre vergehen. "Wir wissen, dass es machbar ist. Aber es ist nicht einfach", fügte Lanza hinzu.

Ohne Ausbeutung von Frauen geht es nicht



"Wenn das Ganze sich als wahr herausstellt, dann ist das ein guter Schritt nach vorn", erklärte Bob Goldstein von der Juvenile Diabetes Foundation. "
Ablehnend äußerste sich Daniel McConchie vom Center for Bioethics and Human Dignity in Chicago: "Klon-Forschung ist unmöglich zu machen, ohne Frauen auszubeuten."

Deutsche Mediziner zeigten sich ebenfalls skeptisch. "Es ist ein großer Unterschied, einen Embryo oder ein Baby herzustellen", sagte der Entwicklungsbiologe Davor Solter vom Max-Planck-Institut für Immunologie in Freiburg. Er betonte, die Experimente in Südkorea bedeuteten noch lange nicht, dass das Klonen eines Babys möglich sei. Ein Klonbaby sei durch die Experimente auch nicht wahrscheinlicher geworden.

Der Bonner Neurowissenschaftler Oliver Brüstle glaubt nicht, dass aus Stammzellen von geklonten Embryonen eines Tages Ersatzgewebe für Patienten gewonnen werden kann. Es gebe bei dem Verfahren ethische Bedenken, zudem seien auch die medizinischen Risiken zu hoch. Die Zellen könnten sich beispielsweise im Körper unvorhersagbar verändern. Zudem betrachtet der Bonner Forscher die erforderliche Eizellspende als ethisch bedenklich und logistisch schwierig. Der Neuropathologe setzt eher auf Stammzelllinien von Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung übrig geblieben sind. Weltweit sind bereits mehrere Dutzend solcher Zelllinien verfügbar.

Missbrauch nicht auszuschließen

Der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz warnte vor übertriebenen Hoffnungen beim therapeutischen Klonen: "Die Wissenschaftler sollten sich zurückhalten und nicht so tun, als stünde der therapeutische Durchbruch unmittelbar bevor", sagte das Mitglied des Nationalen Ethikrates. Experimente wie das in Südkorea könnten nicht von heute auf morgen in die Praxis umgesetzt werden, sagte der Wissenschaftler dem "Mannheimer Morgen".

Taupitz forderte ebenso wie die Forscher aus Seoul ein weltweites Klon-Verbot zu Fortpflanzungszwecken. "Missbrauch lässt sich nicht ganz ausschließen. Eine weltweite Ächtung des reproduktiven Klonens wäre deshalb umso wichtiger, damit möglichst viele Länder gegen jegliche Versuche vorgehen." Dass das bislang nicht gelungen sei, liege an der Haltung einiger Staaten, sowohl das reproduktive als auch das therapeutische Klonen verbieten zu wollen. "Diese Alles-oder-Nichts-Strategie hat verhindert, dass wenigstens das reproduktive Klonen untersagt wurde."

Die Vereinten Nationen hatten die Entscheidung über ein Klonverbot im November um zwei Jahre vertagt, weil sich die Staaten nicht über den Umfang einigen konnten.






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