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2004/03/05 (21:54) from 217.95.20.234' of 217.95.20.234' Article Number : 117
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Friedmans Kampf gegen die Müdigkeit
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NISCHEN-TALK

Friedmans Kampf gegen die Müdigkeit

Von Henryk M. Broder

Wieder einmal versucht Michel Friedman ein Comeback, diesmal als Moderator. Auf Premiere soll er eine Talk-Show über Recht und Ordnung leiten. Der über Drogen und Prostituierte Gestrauchelte kämpft sich verbissen zurück ans Licht der Öffentlichkeit. Man könnte fast Mitleid haben.



DDP
Premiere-Moderator Friedman: "Ich erlaube mir, Ihren Begriff Stehaufmännchen zu relativieren"
Im Zirkus ist es eine Frage der Ehre: Wer vom Pferd fällt oder beim Jonglieren daneben greift, muss es sofort noch einmal versuchen. Kein Artist verlässt nach einem Flop einfach die Manege, wenn er sein Gesicht nicht verlieren möchte.

Bei Moderatoren ist es so ähnlich. Sie gehen nicht einfach, sie nehmen eine Auszeit oder gönnen sich eine Kreativpause, um sich auf neue Aufgaben vorzubereiten. Sogar wenn einer vom Schlag getroffen wurde, zieht es ihn, kaum dass er die Reha-Klinik verlassen hat, ins Studio zurück.

Zu den Grundrechten, die vom Gesetz zwar nicht ausdrücklich garantiert werden, aber dennoch gelten, gehört bei Moderatoren das Recht auf Weiterbeschäftigung. Michel Friedman macht da keine Ausnahme. Obwohl er einen soliden Beruf gelernt hat und als Anwalt gut leben könnte. Seit er letzten Sommer beim geselligen Koksen vom Pferd gefallen ist, seine Sendungen und seine Ehrenämter aufgeben musste, versucht er immer wieder aufs Neue, in den Sattel zu steigen.

Da war ein staatstragender Auftritt bei Sabine Christiansen, eine peinliche Selbstdemontage im "Grünen Salon", eine Plauderei am offenen Kamin im ZDF-Nachtstudio; und jedes Mal war es das Comeback des Michel Friedman, noch nicht als Moderator, aber immerhin als Gast einer Talkrunde.

Dann gab es eine "Welcome-Back-Party" im Hause der Berliner Filmproduzentin Regina Ziegler, mit vielen prominenten Gästen wie Angela Merkel, Klaus Wowereit und Kai Diekmann; und zwischendurch ein paar Auftritte im kleinen Rahmen: in der Berliner Kulturbrauerei auf Einladung des Aspen-Instituts, beim Brüsseler EU-Symposium über Antisemitismus als Vertreter der Wiener jüdischen Gemeinde und bei einem Veteranen-Treffen in Hamburg zum Thema "Die Kunst des Fragens".

Und nun steht Michel Friedman im gestreiften Anzug und gepunkteter Krawatte in der Kulisse eines Fernsehstudios, umgeben von Fotografen, die ihm zurufen: "Einen Augenaufschlag bitte!" und "Einmal für die Kellerkinder!" Friedman lächelt professionell. Nach fünf Minuten ist der "Foto-Call" vorbei. "Ich bedanke mich ganz herzlich, das reicht!"

Das reicht natürlich nicht. Denn wieder einmal geht es um Friedmans Comeback, diesmal als Moderator. Alle zwei Wochen soll er auf dem Premiere-Kanal "13th Street" einen "Rechts-Talk mit Gästen aus Recht, Politik, Wirtschaft und Unterhaltung" moderieren, immer im Anschluss an eine Folge der Krimi-Serie "Law and Order". Er bedient eine Programmnische bei einem Nischensender, die Produktionsfirma hofft auf 150.000 Zuschauer.

Ein bisschen ist es so, als würde Michael Schumacher, statt in der Formel 1 mitzufahren, Schülerlotsen die Verkehrsregeln erklären. Doch Friedman ist von seiner neuen Aufgabe begeistert. Er lobt die "intime und puristische Studioatmosphäre", man habe absichtlich auf Sitzmöbel verzichtet, das gebe "mehr Möglichkeit, körperlicher im Ausdruck zu sein", diesmal werde "das Gespräch und weniger die Show im Vordergrund" stehen.

Fürs erste aber strahlt noch immer Friedman im Vordergrund, denn ob die Gäste in seiner Show stehen, sitzen, liegen oder schweben, ist so unwichtig wie das Thema, das diskutiert werden soll - sei es der Kampf gegen den Terror, aktive Sterbehilfe oder religiöser Fanatismus und seine Gefahren. Alles schon da gewesen, durchgekaut und abgelegt. Denn Friedman würde auch eine Kochsendung moderieren oder das Wetter ansagen, um wieder dort anzusetzen, wo er im Sommer aufhören musste.

"Wie schätzen Sie Ihr Image ein?", fragt ein Reporter. "Darüber kann man sehr trefflich streiten, meine Aufgabe ist es, Vertrauen zurück zu gewinnen, ich bin da vorsichtig optimistisch", antwortet Friedman wie ein Telekom-Manager, der um eine Kursprognose der T-Aktie gebeten wird. Ob es in den Sendungen auch um Drogen und Drogenmissbrauch gehen wird? "Kein Thema ist ausgeschlossen, es gibt keinen Grund dafür." Warum sei er Anwalt geworden? "Es ist ein Beruf, in dem man seine Rechte kennen lernt."

Und deswegen macht Friedman von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch, als er gefragt wird, warum er sich bei den "Zwangsprostituierten" nicht entschuldigt habe. "Ich habe alles, was ich zu diesem Thema zu sagen hatte, gesagt." Das sei nicht genug, mahnt die Reporterin. Friedman wird deutlicher. "Ich habe der Öffentlichkeit alles erklärt, konsequent alle Konsequenzen gezogen... Ich muss nicht jedes Detail meines Fehlverhaltens mit Ihnen diskutieren, mir reicht das."

So dreht sich alles um das Eine: Friedman und die Nutten. Und wenn er sich mit einem Würstchen-Stand vor das Brandenburger Tor stellen würde, es kämen dieselben Fragen auf ihn zu. Ein gebranntes Kind sucht das Feuer, das ist immer noch besser, als unbeachtet daheim zu frieren. "Sie scheinen ein Stehaufmännchen zu sein." - "Ich erlaube mir, Ihren Begriff Stehaufmännchen zu relativieren." Warum tut er sich so was an?

"Fernsehen ist ein Stück meines Berufslebens. Biolek war auch ein Anwalt. Ich habe mich in meinem Leben nie auf einen Beruf reduzieren wollen." Beim Gespräch unter vier Augen wird aus dem Beruf eine Berufung. "Ich bin Anwalt, ich habe gelernt zu reden. Mein Papa hat mal gesagt: Wenn Reden ein Beruf wäre, wärst du ein Millionär." Friedman redet von der "Müdigkeit", die ihn "von Zeit zu Zeit" überkommt, dass "man diese Müdigkeit überwinden muss" und weiter kämpfen, "solange man lebt".

Und auf einmal taucht hinter dem Moderator doch der Mensch auf. "Ich habe eine tiefe Traurigkeit in mir, die hat zu tun mit meiner Geschichte, ich möchte nicht, dass die Geschichte mich besiegt." Also muss er die Geschichte besiegen, auf seine Weise. "Allein die Tatsache, dass es mich gibt, ist schon eine Provokation." Deswegen ist er noch immer mit vier Bodyguards unterwegs. Ob der Herr Friedman den Herrn Möllemann eines Tages am Grab besuchen werde, will eine Reporterin wissen. Da vergeht Friedman die gute Laune, das Lächeln entschwindet. "Hören Sie, es gibt eine Grenze. Ich lebe, Gott sei Dank, und Möllemann ist leider tot."

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