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2004/06/22 (08:04) from 80.139.186.189' of 80.139.186.189' Article Number : 135
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Gott für die Welt



S T U D I U M

Gott für die Welt

Jesus, Buddha und Muhammad: Wer in Oxford Theologie studiert, lernt alle Weltreligionen kennen. Das reizt auch Juristen und Politologen

Merle Hilbk

Als der Berliner Sebastian Kuck sich nach dem zweiten juristischen Staatsexamen für ein Theologiestudium in Oxford bewarb, reagierten seine ehemaligen Kommilitonen mit blankem Unverständnis. "Was willst du denn damit anfangen?", fragten sie entgeistert. Und als er entgegnete, dass es auch für Juristen und Wirtschaftswissenschaftler wichtig sei, sich mit religionsgeschichtlichen Fragen zu beschäftigen, runzelten sie die Stirn und empfahlen: "Such dir schleunigst einen Job in einer Anwaltskanzlei!"

Das war im Februar 2001. Nach dem 11. September meldeten sich bei Kuck, inzwischen Erstsemester in der englischen Universitätsstadt, plötzlich Anrufer aus Deutschland, die ihm zu seiner "klugen Entscheidung" gratulierten. "Was heißt klug?", sagt Kuck. "Ich habe mich bestimmt nicht aus Karrieregründen für Theologie entschieden. Mir geht es darum, zu verstehen, warum Menschen denken, wie sie denken - und wie daraus solche Konflikte wie im Nahen Osten entstehen können." Während seines Rechtsreferendariats hat er ein paar Monate lang im Gaza-Streifen gejobbt. Mit Arbeitskollegen - Muslimen, Christen und Juden - diskutierte er über Religion, den Krieg und die Intifada.

Heute sitzt der 30-Jährige im Oxforder Centre for Islamic Studies und lauscht der Vorlesung Introduction to Islamic Theology. Auf der Seminarliste auf dem Dozentenpult finden sich englische und koreanische, deutsche, südamerikanische und arabische Namen. Der Dozent trägt Vollbart und hat einen französischen Namen. Präzise erläutert er die Bedeutung Muhammads für die islamische Welt.

Theologie in Oxford ist - anders als an den meisten deutschen Unis - kein konfessionell orientiertes Studienfach. Eine Trennung zwischen "katholischen" und "evangelischen" Fachbereichen gibt es ebenso wenig wie eine Beschränkung auf die christliche Lehre. Neben christlicher Dogmatik, Geschichte und Philosophie bietet Oxford auch Kurse in Islamwissenschaften, Judaismus, Buddhismus und Hinduismus an.

Theologie sei in Oxford "ein rein akademisches Fach", dessen Inhalte auf "analytischem und kritischem Denken basieren" und in dem "Argumente, die allein auf Glauben fußen, keinen Erfolg haben", heißt es im Studienführer. Ähnlich stellt es auch Professor Ward dar, seines Zeichens Pastor und eine der älteren Lehrkräfte der Fakultät: "Es geht darum, Vorurteile abzubauen, indem man versteht, warum zu einer Zeit ein bestimmtes Welt- und Gottesbild entstanden ist." So erklärt er zum Beispiel, wie sich durch die politischen Revolutionen im 18. Jahrhundert und die Lehren Hegels das Bild vom Gott des Wandels durchsetzte, dessen Größe sich einzig und allein in der Schöpfung ausdrückt. "Was würden Sie uns von Hegels Schriften empfehlen?", fragt eine Frau aus dem Auditorium. - "Wenn ich ehrlich sein soll: nichts!", flachst der Professor. "Sie haben mehr davon, wenn Sie ein Buch über Hegel lesen."

Keine Selbstbeweihräucherung

Bei den Oxforder Theologen gibt es keine künstliche Verneigung vor Geistesgrößen, keine intellektuelle Selbstbeweihräucherung, keine Abgrenzung von den Studenten durch besonders wissenschaftliche Sprache. Abstrakte wissenschaftliche Theorien werden am Beispiel veranschaulicht, geistesgeschichtliche Ideen in den Vorlesungen und Seminaren immer in größeren historischen Zusammenhängen dargestellt. Daher kann, wer in Oxford ein Theologiestudium abgeschlossen hat, vielleicht nicht mit Paul-Tillich- oder Karl-Barth-Zitaten protzen, besitzt aber ein Grundverständnis der geistigen Fundamente und gesellschaftlichen Entwicklungen der modernen Welt.

Dieser Ansatz macht das Fach besonders bei Graduate-Studenten beliebt. 175 erwerben derzeit an der Faculty of Theology einen der angebotenen Abschlüsse: den Master of Letters oder Doctor of Philosophy, für die mit mindestens drei Jahren Studienzeit zu rechnen ist; den Master of Philosophy und Master of Studies, für die rund zwei Jahre eingeplant werden sollten; den Master of Theology in Applied Theology, der auf Studenten zugeschnitten ist, die bereits einen Abschluss in Theologie haben.

30 000 Euro pro Jahr

Wer - als Jurist oder Betriebswirt, Politologe oder Historiker - nur eine Zusatzqualifikation erwerben will oder seinen Verstand vor dem Einstieg ins Berufsleben noch einmal durch die Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragestellungen trainieren will, für den empfiehlt sich das Theology Diploma. Zu dem führt ein einjähriger kompakter Studiengang, der im Schnelldurchlauf Grundlagen der christlichen, aber auch der muslimischen, buddhistischen und hinduistischen Glaubenslehre vermittelt. Offen steht der Studiengang allen Bewerbern, die gute Examensnoten, Empfehlungsschreiben und einen "Graduate"- Abschluss in einem anderen Fach vorweisen können.

Young Hae-Chi hat einen Master in Internationaler Politik gemacht, bevor er sich für das Theologiestudium einschrieb. Seit 15 Jahren arbeitet der gebürtige Koreaner als Dozent am Oxforder Institute for Asian Studies. Irgendwann wurde ihm bewusst, dass es "auch in meinem Heimatland viele Missverständnisse gibt", deren Wurzeln "religiösen Ursprungs sind". So schrieb sich der mittlerweile 45-Jährige für den Diplomstudiengang ein, begeisterte sich dann aber so für das Fach, dass er mittlerweile an seiner Theologie-Doktorarbeit sitzt.

Auch Sebastian Kuck hat sich für den Diplomstudiengang entschieden. Im Lauf der Tertiale muss er mindestens drei Hausarbeiten schreiben; Essays, in denen er eine theologische oder philosophische Fragestellung mit erlernten und eigenen Ideenansätzen zu beantworten versuchen muss. Diese so genannten papers bespricht er mit seiner Tutorin, einer Art Privatlehrerin, mit der er sich mehrmals in der Woche trifft. Zusätzlich besucht er Vorlesungen in Neuem Testament, Gottesvorstellungen, Seminare in Christlicher Doktrin, Muslimischer Theologie und Veranstaltungen in Judaismus, Buddhismus, Philosophie und Ethik.

Rund 30 000 Euro wird ihn das Studienjahr in Oxford kosten. Darin enthalten sind Unterrichts- und Prüfungsgebühren, Unterbringung und Verpflegung in einem College. Jeder künftige Student muss sich nicht nur bei der Fakultät bewerben, sondern auch bei den Colleges seiner Wahl. In denen wird gewohnt und gearbeitet: Tutorials finden ebenso im College statt wie wissenschaftliche Vorträge. Auch Dozenten und wissenschaftliche Mitarbeiter sind dort untergebracht und jederzeit ansprechbar. Die Collegeverwaltung hilft Bewerbern, die weder reiche Eltern noch ein wohl gefülltes Sparkonto haben, bei der Suche nach Stipendien.

Sebastian Kuck ist im Harris Manchester College aufgenommen worden, in dem hauptsächlich ältere Studenten leben. Bis September genießt der Berliner noch die intellektuelle, beinahe weltabgewandte Atmosphäre der Studentenstadt. Ende des Jahres will er nach Berlin zurückkehren und sich dort um eine Stelle in der freien Wirtschaft bewerben. "Irgendwas mit internationalem Bezug, am liebsten bei einem großen Energieversorgungsunternehmen", sagt er. "Die haben so viel in Regionen zu tun, in denen es Spannungen zwischen Muslimen und den Vertretern anderer Glaubensgemeinschaften gibt. Da kann es nicht schaden, wenn man Ahnung von Religion hat."

Studienbroschüren und Bewerbungsformulare sind unter folgender Adresse erhältlich:

The Director of Graduate Studies in Theology,

c/o Theology Faculty Center, 41 Saint Giles, Oxford, OX1 3LW, Tel. 01865/27 07 90, E-Mail: anita.holmes@theology.ox.ac.uk

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