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2004/07/05 (10:57) from 217.95.23.87' of 217.95.23.87' Article Number : 149
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Modell-Ehe mit ungewissem Ausgang
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Modell-Ehe mit un gew issem A usgang
In Lüneburg sollen Uni und Fachhochschule fusionieren, nun droht das ehrgeizige Projekt zu scheitern

Von Marion Schmidt


In Lüneburg soll zusammen gehen, was nicht zusammen passen will. Also wird versucht, es passend zu machen. Zunächst einmal mit schönen Worten: Erstmalig in Deutschland sollen eine Universität und eine Fachhochschule zu einer neuen Stiftungs-Uni fusionieren, so der politische Wille des Wissenschaftsministers Lutz Stratmann (CDU), der damit eine ¸¸Modell-Hochschule" schaffen will.


¸¸Ein Modell für Deutschland" sieht sogar Detlef Müller-Böling. Als Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung begleitet er derzeit die Fusion. Mit dem Zusammengehen der beiden Lehranstalten könne die jahrzehntelange Trennung in Universitäten und Fachhochschulen aufgehoben werden. Durch die flächendeckende Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse würde diese Unterscheidung sowieso bald überflüssig, ist Müller-Böling überzeugt: ¸¸In zehn oder 15 Jahren wird es in Deutschland keine Fachhochschulen und Universitäten mehr geben, sondern nur noch sehr differenzierte Hochschulen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten."


Eine revolutionäre Idee. Unabhängig davon, ob sie gelingen kann, bleibt die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, zwei Hochschultypen mit besonderem Profil zusammenzufügen. Universitäten und Fachhochschulen pflegen seit ihrem Bestehen ein konfliktreiches Verhältnis, weil sie in Bezug auf ihre akademischen Aufgaben ein unterschiedliches Selbstverständnis haben: hier die traditionsreiche Universität mit ihrer Fächervielfalt und dem Anspruch, eine theoretisch fundierte, breit angelegte Ausbildung anzubieten; dort die Fachhochschulen mit angewandter Lehre und Forschung, kürzeren Studienzeiten und flexiblerem Zugang. Sollte die Lüneburger Fusion zu einem Vorbild für andere deutsche Hochschulstandorte werden, fürchtet der Präsident des Hochschullehrerbundes, Nicolai Müller-Bromley, ¸¸eine Verarmung der Hochschullandschaft".


Das Problem ist aber zunächst ein ganz praktisches: Die Lüneburger, vor allem die dortige Uni, wollen nicht Modell für Deutschland sein. Jedenfalls nicht, wenn ihnen, wie befürchtet, die Fusion eine Sonderrolle beschert, die sie akademisch abwerten könnte. Daher sind beide Hochschulen mit dem Fusionsgesetz, so wie es Anfang Juni in den niedersächsischen Landtag eingebracht wurde, nicht einverstanden - allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Knackpunkte sind noch: der Hochschulzugang, die Überleitung der FH-Professoren in die neue Uni, die Lehrverpflichtungen und schließlich die Kosten der Fusion.


Horrorvision für Professoren


Universitäts-Professoren, vor allem aus dem Fachbereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sagt der Betriebswirtschaftler Ulf Baxmann, fühlen sich bei den Beratungen zum Gesetz übergangen und befürchten nun eine ¸¸Fachhochschulisierung", wenn sich demnächst auch Studenten ohne Abitur einschreiben dürfen. Die Regelung im Gesetz, den Hochschulzugang für jeden neuen Studiengang individuell festzulegen, ist den Professoren zu schwammig. ¸¸Eine Horrorvision, wenn hier Bewerber mit Fachhochschulreife anstürmen und Abiturienten abgeschreckt würden", sagt er, ¸¸wir wollen hier keine Lex Lüneburgensis", keinen Sonderweg beim Hochschulzugang. Andererseits: Man kann ja auch nicht fast der Hälfte der FH-Studenten den Stuhl vor die Tür setzen.


Kritik äußern die Professoren auch an dem Plan, ihre Fachhochschul-Kollegen durch ¸¸ein berufungsähnliches Verfahren", wie es im Gesetz heißt, zu ebenbürtigen Partnern werden zu lassen. In einer Stellungnahme für den Wissenschaftsausschuss des Landtags plädiert der Sprecher der Professorengruppe, der Politikwissenschaftler Uwe Thaysen, vielmehr für ein Evaluationsverfahren, zu dem auch auswärtige Gutachter hinzugezogen würden.


Die Dozenten der FH wiederum, kaum überraschend, wehren sich vehement gegen diese Forderungen, mit denen sie sich zu ¸¸Professoren 2. Klasse" herabgesetzt fühlen, denen die Befähigung zu universitärer Lehre und Forschung abgesprochen wird. Sie fürchten, so Heinrich Schleich,FH- Professor für Produktionsmanagement, aus diesem Prozess als Verlierer hervorzugehen, weil ihre beruflichen Qualifikationen nicht geschätzt werden und das praxisnahe Profil dabei auf der Strecke bleiben könnte.


Schließlich geht es auch ums Geld. Seit Monaten schon streiten die Hochschulen mit dem Ministerium in Hannover um die Kosten der Fusion. Denn eigentlich, das wissen längst alle Beteiligten, ist diese eine politisch erzwungene Sparmaßnahme. Und weil das natürlich keiner gerne zugeben mag, wird sie als Vorzeige-Modell deklariert, damit sich der Minister damit profilieren kann. Die Lüneburger machen dabei mit, zähneknirschend, weil sie wissen, es rettet ihren Hochschulstandort.


Im Rahmen des niedersächsischen ¸¸Hochschuloptimierungskonzepts" sollen in Lüneburg fünf Millionen Euro eingespart werden - das ist in etwa so viel, wie die Fusion kosten wird, hat Uni-Präsident Hartmut Donner ausgerechnet. Von Einsparungen könne allenfalls langfristig die Rede sein. Die Lüneburger fürchten daher, auf den Kosten sitzen zu bleiben. ¸¸Wir müssen aufpassen, dass aus der Modell-Uni keine Spar-Uni wird", sagt Donner. Der Staatssekretär im niedersächsischen Wissenschaftsministerium, Josef Lange, beruhigt, die Fusionskosten würden vom Land übernommen - trotz der angespannten Haushaltslage im Land: ¸¸Die Fusion hat Priorität."


Für die Uni gilt das nicht. Seit Monaten schon schwelt ein Streit zwischen Präsidium und Teilen der Professorenschaft über den Fusionsprozess. Einige der Lehrenden gehen mittlerweile auf offenen Konfrontationskurs zur Hochschulleitung. Sie werfen Donner einen ¸¸autokratischen" Stil bei Gestaltung der Fusion vor, und dass er universitäre Standards preisgebe. In einer internen Abstimmung am wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fachbereich votierte eine klare Mehrheit gegen die Fusion. Die Atmosphäre sei ¸¸vergiftet", so Donner, der dem Stiftungsrat der Uni vor knapp zwei Wochen seinen Rücktritt angeboten hat, der aber nicht angenommen wurde, weil das den ganzen Fusionsprozess gefährdet hätte. Ein daraufhin im Senat der Uni eingebrachter Abwahlantrag scheiterte nur knapp. Donner bleibt nun vorläufig im Amt, auf den Präsidentenstuhl der neuen Uni wird er aber verzichten.


Ärger wie im Ruhrgebiet


¸¸Da wird eine an sich gute Idee kaputt geredet", schimpft eine Mitarbeiterin der FH ¸¸schwer genervt". Alle Beratungsergebnisse lägen auf Eis, weil sie sich an der Uni nicht einigen könnten. Die Querelen in der Lüneburger Heide wecken Erinnerungen an die schwierige Geburt der Uni Duisburg-Essen, bei der auch Rektoren verschlissen wurden, bevor sich die beiden Gesamthochschulen im Ruhrgebiet zusammenrauften. Dabei sind in Lüneburg beide Hochschule nicht grundsätzlich gegen eine Fusion. Nur gibt es Verstimmungen über das Verfahren, das Tempo, die Kosten und die Kommunikation. Die Streitigkeiten gefährden aber nicht das Zusammengehen, glaubt Staatssekretär Josef Lange, aber, ¸¸sie fördern es auch nicht gerade."


Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.152, Montag, den 05. Juli 2004 , Seite 8

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