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2004/10/10 (10:06) from 217.95.21.30' of 217.95.21.30' Article Number : 165
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Philosoph Derrida gestorben
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Philosoph Derrida gestorben

Ein Meister der Dekonstruktion

Die einen hielten ihn für einen genialen Erneuerer der Philosophie, die anderen sahen in ihm einen Blender, der mit unverständlichen Texten die Menschen narrte. Nun starb der Franzose Jacques Derrida im Alter von 74 Jahren.

  
 
Der französische Philosoph Jacques Derrida ist in der Nacht zum Samstag gestorben. Er erlag im Alter von 74 Jahren in einer Pariser Klinik einem Krebsleiden der Bauchspeicheldrüse. Der Autor von „Die Schrift und die Differenz“ begründete in den 60er Jahren den Dekonstruktivismus.

Diese Methode basiert auf der Grundannahme, dass es keine absolute Wahrheit gibt, und beeinflusste neben der Philosophie auch die Literatur- und Sprachwissenschaft der vergangenen Jahrzehnte maßgeblich.

In die Schlagzeilen geriet der in Algerien geborene Sohn jüdischer Eltern 1992, als sich vier Professoren der Universität Cambridge weigerten, ihm ein Ehrendoktorat zu verleihen. Sie nannten seine philosophischen Aussagen „Scharlatanerie“. Er entziehe der Wissenschaft ihre Grundlage, nämlich die Unterscheidung zwischen richtig und falsch, schäumten die Kollegen. Zwar kam die Ehrung trotz dieses spektakulären Protests noch zu Stande, die Welt der Philosophen aber hatte ein Gesprächsthema.


Derrida selbst nannte die Angelegenheit einen „kleinen englischen Skandal“. Nach Überzeugung des Pariser Gelehrten beruht die westliche Philosophie auf der falschen Annahme, dass man sich auf die wahre und unverrückbare Bedeutung von Worten und Begriffen verlassen könne. Mit der als Dekonstruktivismus bekannt gewordenen Methode versuchte Derrida stattdessen nachzuweisen, dass es unmöglich ist, eine definitiv gültige Bedeutung von Texten zu ermitteln. Diesem Ansatz liegt die These zu Grunde, dass kein Gedanke und kein Konzept in Reinform vermittelbar ist. Eine objektiv wahre Deutung von Texten sei deshalb unmöglich.

„Mit Derrida hat Frankreich der Welt einen ihrer größten zeitgenössischen Philosophen gegeben, einen der bedeutendsten Intellektuellen unserer Zeit“, hieß es in einer Erklärung von Präsident Jacques Chiracs. Derrida wurde am 15. Juli 1930 im algerischen El Biar geboren. Seine Karriere begann er in den 60er Jahren und schrieb bis zu seinem Tod mehr als hundert Bücher, von denen zahlreiche auf der ganzen Welt übersetzt wurden.

Am Bekanntesten ist er als Querdenker und Begründer des Dekonstruktivismus. Diese Analysemethode wandte er auf Literatur, Linguistik und Philosophie, aber auch auf Gesetzestexte und Architektur an. Im Fokus seiner Arbeit stand die Sprache. Er erkannte, dass diese mehrere Ebenen und daher auch mehrere Bedeutungen hat. Laut Derrida ist Sprache keinesfalls direkte Kommunikation.

Und der Autor eines Textes muss nicht der Autor von dessen Botschaft sein. Ziel seiner Denkschule ist es, das geschriebenen Wort von den sie einschränkenden Sprachstrukturen zu befreien, und so die Grenzen der Textinterpretation zu öffnen.

Der weißhaarige Intellektuelle lehrte an berühmten Universitäten in Frankreich und den USA und war über Jahrzehnte einer der einflussreichsten Philosophen, auch wenn seine Theorie nicht unumstritten war. Im Jahr 2001 zeichnete ihn die Stadt Frankfurt am Main mit dem Theodor-W.-Adorno-Preis aus.

Einige seiner wichtigsten Veröffentlichungen:
„Gewalt und Metaphysik“(1964)
„Die Schrift und die Differenz“ (1972)
„Semiologie und Grammatologie“ (1975)
„Die Postkarte. Von Sokrates bis an Freud und jenseits“(1980)
„Aufzeichnungen eines Blinden“ (1996)
„Marx’ Gespenster“ (1995)
„Geschichte der Lüge“ (1997).

(AP/dpa)



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