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2005/05/20 (08:45) from 129.206.196.164' of 129.206.196.164' Article Number : 200
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Klon-Coup aus Korea


Klon-Coup aus Korea
Forscher züchten erstmals maßgeschneiderte menschliche embryonale Stammzellen. Zelltherapien rücken so näher
Anne Brüning und Anke Brodmerkel

Die südkoreanischen Stammzellenforscher um Woo Suk Hwang von der Seoul National University bleiben am Ball. Vor gut einem Jahr - im Februar 2004 - wurde bekannt, dass das Team erstmals menschliche embryonale Stammzellen geklont hatte. Jetzt ist den Wissenschaftlern ein neuer Coup gelungen: Sie haben mit derselben Klontechnik Stammzellen geschaffen, die für Patienten genetisch maßgeschneidert sind. Erste Analysen im Labor zeigten, dass die Stammzellen die gleichen Oberflächeneiweiße wie die Körperzellen der Patienten tragen - und daher bei einer Stammzelltherapie von deren Immunsystem höchstwahrscheinlich nicht abgestoßen werden.

Hwang und sein Team kommen mit ihren Ergebnissen, die in der Online-Ausgabe des Magazins Science veröffentlich sind, dem therapeutischen Klonen erneut einen Schritt näher. Bei diesem Verfahren wird ein Zellkern aus der Körperzelle eines Patienten in eine entkernte Eizelle übertragen. So entsteht eine Art Embryo, der nach drei bis vier Tagen zur Blastozyste herangewachsen ist - dem Stadium, in dem embryonale Stammzellen entnommen werden können. Diese Zellen haben die gleiche genetische Aussatattung wie die Körperzelle des Patienten. Noch wichtiger ist: Sie sind pluripotent; das bedeutet, dass sie zu allen im Körper vorkommenden Geweben heranreifen können. Forscher wollen aus solchen Zellen Ersatzgewebe züchten, um dieses Patienten einzupflanzen. So hoffen sie Krankheiten heilen zu können, bei denen bestimmte Zellen krank sind oder absterben.

Transplantationsversuche stehen Hwang und seinen Kollegen zufolge jedoch noch nicht an. Vielmehr sollen mit Hilfe der neu gewonnenen Stammzellen zunächst bestimmte Krankheiten erforscht werden. "Die Entstehung von Diabetes beispielsweise lässt sich sehr viel besser erforschen, wenn man mit Hilfe der Klontechnik große Mengen Insulin produzierender Zellen herstellen kann", sagt der Stammzellenforscher Oliver Brüstle vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn. Denn da Typ-1-Diabetiker ohnehin zu wenige dieser Bauchspeicheldrüsenzellen besäßen, könne man sie kaum von den Patienten selbst gewinnen.

Wie Hwang und sein Team sowie der US-amerikanische Koautor der Studie, Gerald Schatten von der University of Pittsburgh, berichten, haben die Forscher elf neue Linien menschlicher embryonaler Stammzellen produziert. Als eine Zelllinie bezeichnet man genetisch identische Zellen, die sich im Labor nahezu unbegrenzt vermehren lassen. Erste Versuche der Wissenschaftler weisen darauf hin, dass aus den Zellen die unterschiedlichsten Gewebetypen hervorgehen können. "Wie effizient sich daraus aber beispielsweise Bauchspeicheldrüsenzellen züchten lassen, ist noch völlig unklar", sagt der Klonexperte Heiner Niemann von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mariensee bei Hannover.

Für die elf Stammzelllinien benötigten die Forscher 185 Eizellen, die 18 Frauen gespendet hatten. In die entkernten Eizellen übertrugen Hwang und sein Team die Kerne aus Hautzellen von elf Patienten, die entweder unter einer Rückenmarksverletzung, Typ-1-Diabetes oder der erblichen Immunschwächekrankheit Hypogammaglobulinämie litten. Bei allen drei Krankheiten erhoffen sich Wissenschaftler Erfolge von einer Stammzelltherapie. Der Kerntransfer gelang bei 129 Eizellen, 31 davon wuchsen zu Blastozysten heran. Aus 11 der Blastozysten schafften Hwang und sein Team es, Stammzellen zu züchten. "Damit erweist sich das Verfahren als sehr effizient", sagt Brüstle.

Im Vergleich zu ihrer im Vorjahr publizierten Arbeit haben Hwang und sein Team die Ausbeute deutlich gesteigert. Damals hatten 16 Frauen 242 Eizellen gespendet. Daraus resultierten zwar 33 Blastozysten, aber letztendlich nur eine Stammzelllinie. Hwang und seine Kollegen führen den Erfolg vor allem auf handwerkliche und labortechnische Verbesserungen zurück - zum Beispiel bei der Entkernung der Eizellen.

Die Südkoreaner heben hervor, dass sie für die Vermehrung der Stammzellen nicht wie bisher üblich Bindegewebszellen von Mäusen genommen haben, sondern menschliche Zellen. "Das ist ein Fortschritt", sagt Niemann. "Bei der Verwendung von tierischen Zellen kann man nämlich nicht ausschließen, dass Viren, die sich in den Tierzellen eingenistet haben, in die Stammzellen übergehen." Für Tiere seien derartige Viren vielleicht harmlos, dem Menschen könnten sie aber schaden.

Hwang und seine Kollegen räumen mit der aktuellen Veröffentlichung zudem einige Zweifel an ihrer bisherigen Arbeit aus dem Weg. Für die 2004 publizierte Studie hatten die Wissenschaftler für den Kerntransfer nämlich Körperzellen verwendet, die von den jeweiligen Eizellspenderinnen stammten. Deshalb ließ sich nicht ausschließen, dass die geklonten Embryonen tatsächlich durch einen Kerntransfer entstanden waren - und nicht durch die spontane Teilung von Eizellen, auch bekannt als Jungfernzeugung. In den aktuellen Versuchen stammen Eizellen und Zellkerne bis auf eine Ausnahme von unterschiedlichen, biologisch nicht verwandten Personen.

Bisher war außerdem unklar, ob das Alter oder das Geschlecht der Haut- und Eizellspender eine Rolle spielen. Hwang und sein Team verwendeten deshalb Hautzellen von weiblichen und männlichen Patienten im Alter zwischen 2 und 56 Jahren. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Zellen alle gleich gut eigneten. Allerdings entstanden deutlich mehr Blastozysten, wenn die gespendeten Eizellen von Frauen stammten, die jünger als dreißig Jahre waren.

Etwas in Verruf geraten war das koreanische Team vergangenes Jahr durch die Art und Weise, wie es die Eizellspenderinnen rekrutiert hatte. "Das waren alles Technische Assistentinnen und Doktorandinnen aus dem Labor von Woo Suk Hwang. Es gab Diskussionen darüber, ob die Frauen womöglich unter Druck gesetzt worden waren", berichtet Niemann.

In der aktuellen Veröffentlichung räumen die Forscher dem Thema Spenderrekrutierung nun viel Platz ein. Sie schildern, dass die Eizellenspende freiwillig und ohne Bezahlung erfolgt sei und dass die Frauen zuvor über die Studie informiert worden seien. "Obwohl wir den Spenderinnen angeboten hatten, zumindest die Fahrtkosten zu ersetzen, nahm keine von ihnen das Angebot an", schreiben Hwang und sein Team. "In Europa wäre es vermutlich nur schwer möglich, so viele Frauen zu einer Eizellenspende für die Forschung zu gewinnen", sagt Niemann. Künftig wird es zu der umstrittenen Spende vielleicht ohnehin eine Alternative geben: "Weltweit arbeiten Forscher intensiv daran, normale Körperzellen in pluripotente Zellen umzuwandeln", sagt Brüstle.

Wie schnell die Versuche zum therapeutischen Klonen nun fortschreiten, ist noch ungewiss. Um die Methode bei genetisch bedingten Erkrankungen wie Typ-1-Diabetes und Hypogammaglobulinämie anzuwenden, müssen Forscher nämlich noch eine wesentliche Hürde nehmen: Die Zellen, die sie von den Patienten für den Kerntransfer gewinnen, tragen den genetischen Defekt in sich, der zu der Erkrankung führt. "Deshalb muss man bei den Stammzellen zunächst den Defekt mit Hilfe der Gentechnik reparieren", sagt Niemann. Er kann sich aber gut vorstellen, dass in ein bis zwei Jahren ein Forscherteam eine Arbeit veröffentlichen wird, die ein solches Verfahren beschreibt.

"In jedem Fall stärkt die koreanische Studie Forschern, die an das Potenzial der Stammzelltherapie glauben, den Rücken", sagt Brüstle - auch wenn es vermutlich noch mindestens zehn Jahre dauern werde, bis das Verfahren erstmals an Menschen getestet werden kann. "Dann aber werden die neuen Stammzelllinien auch für uns interessant", betont der Forscher. Bis dahin gibt es in Deutschland ja vielleicht ein neues Stammzellgesetz. Derzeit ist es hiesigen Forschern nämlich verboten, mit menschlichen embryonalen Stammzellen zu arbeiten, die nach Januar 2002 hergestellt worden sind.

Science, Online-Ausgabe vom 19. Mai




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