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Stammzellenforschung
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Stammzellenforschung
Besser Klonen mit Stäbchen
Von Sascha Karberg




23. Mai 2005 Mit haarfeinen Nadeln Hunderte winziger Zellen traktieren, Kerne aus Haut- in Eizellen stopfen, hoffen, daß sich ein Embryo entwickelt: Das ist die tägliche Feinarbeit, die sich Klonen nennt. Und die könnten asiatische Hände "am besten erledigen", sagt der koreanische Klonforscher Hwang Woo Suk im Fachmagazin Nature Medicine. "Wir können sogar schlüpfrige Reiskörner mit Stäbchen greifen." Tatsächlich liegen den Koreanern die Klonwerkzeuge so gut in der Hand, daß sie europäische und amerikanische Forschungseliten abgehängt haben. Hwang, der an der Seoul National University über 125 Forscher verfügt, hat das Klonen von menschlichen Embryos technisch so optimiert, daß es jetzt tatsächlich als Therapie in Frage zu kommen scheint.


Schon vor einem Jahr hatte sein Team erstmals geklonte embryonale Stammzellen vom Menschen kultiviert. Damals waren für eine sogenannte Linie 242 Eizellen nötig. Diesmal brauchte Hwang nur je 17 Eizellen, um von neun seiner elf Patienten mindestens eine Kultur genetisch identischer embryonaler Stammzellen anzulegen.

Eifrige Asiaten

Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology in Boston hat damit gerechnet, daß dieser "technische Durchbruch für das therapeutische Klonen" nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in Korea gelingen würde. "Der Schwerpunkt der Stammzellforschung wandert ostwärts", sagt auch Jack Price, Neurobiologe am Londoner King's College. Als Leiter einer Forscherdelegation des britischen Department of Trade and Industry besuchte er Ende vergangenen Jahres Stammzellabors in China, Singapur und Korea. Nirgendwo gehe man die Herausforderungen der Stammzellforschung mit mehr Eifer an, resümiert sein Bericht. In Europa werde man die Folgen bald spüren. "Wissenschaftlich, klinisch und kommerziell."

Diese Entwicklung allein auf bioethische Freiräume zu reduzieren wäre allerdings unfair, meint Jaenisch. "In Korea herrschen ähnliche Bioethik-Gesetze wie in Großbritannien" (siehe "Türöffner"). Der Erfolg sei eher das Resultat politischer und finanzieller Weichenstellungen. In den Tigerstaaten habe man "weise entschieden, Stammzellforschung zuzulassen und zu fördern". So leitet Singapur heute 2,2 Prozent des Bruttosozialprodukts, das sind 1,7 Milliarden Euro, in die Forschung. Allein in den Wissenschaftspark Biopolis hat der Stadtstaat 230 Millionen Euro investiert. China besitzt mit 60 Milliarden Dollar längst das drittgrößte Forschungsbudget weltweit. Korea stellte im vergangenen Jahr 5 Milliarden Dollar für Forschung bereit.

„Das sind Workaholics”

Allein Hwang Woo Suks Labor hat in den vergangenen zehn Jahren rund 14 Millionen Dollar geschluckt. Es sei "beeindruckend", was Hwang damit aufgebaut habe, sagt Michele Boiani vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster. Ende vergangenen Jahres konnte der Stammzellforscher einen Blick in Hwangs Labor werfen und scheint noch immer ergriffen. "Extrem engagiert" seien die Koreaner, "immer und immer wieder" werde an Experimenten gefeilt. Der Arbeitstag beginne um 6 Uhr, Wochenenden gebe es nicht. Zwar unterscheide sich die technische Ausstattung qualitativ kaum von westlichen Labors. Doch in der Zahl der Geräte und Mitarbeiter werde eine industrielle Dimension deutlich: Acht Mikromanipulationsgeräte erlauben 1200 Klonexperimente täglich. "Das sind Workaholics."

Müssen europäische Forscher die Konkurrenz aus Asien fürchten? "Natürlich", sagt Jaenisch. So habe der Chinese Zhou Qi gezeigt, daß es möglich ist, Ratten zu klonen, nachdem namhafte Labors in den Vereinigten Staaten und Europa ihre Versuche aufgegeben hatten. Ebenso zäh versucht Zhou jetzt, Rhesusaffen zu klonen. Dafür ist er aus Frankreich nach China zurückgekehrt. "Wir können das hier für relativ niedrige Kosten machen", sagt Zhou.

Keine Kreativität

Eckhard Wolf, Klonexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, denkt dennoch nicht ans Auswandern. "Klon- und Stammzellforschung ist nur ein kleiner Bereic0h", sagt Wolf. Mit einem wissenschaftlichen Umfeld wie in München sei das nicht vergleichbar. Auch Boiani meint, daß Hwangs Arbeit zwar keinesfalls trivial sei und einen enormen Fortschritt bedeute, aber nichts wirklich Kreatives darstelle. "Die asiatischen Kollegen schaffen es mit harter Arbeit, Dinge zum Laufen zu bringen." Beispielsweise den Zellkern sanft aus der Eizelle zu quetschen, anstatt ihn abzusaugen, oder embryonale Stammzellen sehr effizient zu vervielfältigen. Man entwickele die Werkzeuge. "Eine Strategie, die ein paar Jahre Erfolg bringt, ohne innovative Impulse aber nicht aufgeht", sagt Boiani.

Wolf beunruhigt ohnehin etwas anderes. Unter den vielen Forschern, die bei Hwang nun das Klonen lernen, könne jemand Verrücktes sein, der statt des therapeutischen doch das reproduktive Klonen von Menschen versucht. Als Lehrer habe man das nicht im Griff, weiß Wolf. Einer seiner langjährigen Mitarbeiter, Miodrag Stojkovich, will zwar keine Menschen klonen. Gegen die erklärte Skepsis seines Chefs bezüglich des therapeutischen Klonens wechselte er aber zu ebendiesem Zweck an die Universität Newcastle. Am Freitag präsentierte Stojkovich als Reaktion auf Hwangs Arbeit Fotos vom ersten menschlichen Klonembryo Europas.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.05.2005, Nr. 20 / Seite 71
Bildmaterial: F.A.S

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