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Angriff der Klon-Krieger





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Angriff der Klon-Krieger
[23.05.2005 11:38]


Bei Corned Beef und Cola planten die US-Biologen Herbert Boyer und Stanley Cohen im April 1972 auf Hawaii ein Experiment, das ihnen zwei Jahre später gelang: Sie pflanzten einem Bakterium ein fremdes Gen ein. Der technische Durchbruch der Gentechnik war geschafft. Sofort äußerten euphorische Forscher die Hoffnung, bald auch Gendefekte des Menschen heilen zu können. Doch bis heute ist Gentherapie für Patienten nur eine Hoffnung.

Seit Ende vergangener Woche weckt der koreanische Forscher Hwang Woo Suk bei Querschnittsgelähmten und Diabetikern ganz ähnliche Hoffnungen. Denn er hat bewiesen, dass therapeutisches Klonen technisch machbar ist, wie im Fachmagazin "Science" nachzulesen ist. Doch auch Hwang kann bisher keinen geheilten Patienten präsentieren. Er zeigte lediglich, dass es mit vertretbarem Aufwand möglich ist, von jedem Patienten eine Kultur genetisch identischer embryonaler Stammzellen anzulegen. Ob die dann auch helfen, also heilen werden, das ist eine andere Frage.

Nach dem technischen der politische Durchbruch


Dennoch sind Forscher-Kollegen weltweit beeindruckt vom Können des Koreaners, auch der Klonforscher Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology in Boston, der Hwangs Arbeit zu begutachten hatte. Dass therapeutisches Klonen prinzipiell machbar ist, hat Jaenisch schon vor zwei Jahren mit einem Experiment an Mäusen bewiesen, die er sogar heilen konnte. Doch menschliche Zellen darf der deutschstämmige Forscher in den USA nicht klonen. Deshalb greift Jaenisch nun die Gegner des Therapeutischen Klonens an, und fordert die Politik auf, aus dem "Durchbruch für das therapeutische Klonen" zu lernen. Denn es sei abzusehen gewesen, dass diese Erfolgsmeldung nicht aus den USA, sondern aus Korea kommen würde. "Dort hat die Regierung die weise Entscheidung getroffen, Stammzellforschung unter bestimmten Bedingungen zuzulassen und zu fördern." In den USA hingegen gibt es für die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen von den Bundesbehörden, wie den National Institutes of Health, kein Geld. Und Präsident George Bush ist ein erklärter Gegner des Therapeutischen Klonens. "Hier zwingt eine Minorität der Mehrheit ihre extreme ethische Auffassung auf", sagt Jaenisch. Auch deutsche Stammzellforscher fordern, das deutsche Stammzellgesetz zu überdenken, denn nicht nur im fernen Korea, sondern auch in Großbritannien wurden am Freitag Fotos des ersten europäischen Menschenklons präsentiert. Und die Klagen, die deutsche Forschung verliere den Anschluss, finden Gehör: FDP-Chef Guido Westerwelle fordert offen, das therapeutische Klonen zuzulassen, damit "die besten und modernsten Medikamente und Heilverfahren" künftig in Deutschland produziert und nicht importiert werden müssen. Auch Forschungsministerin Edelgard Bulmahn will "die Debatte über gesetzliche Regelungen neu führen." Und sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder lässt verlauten, dass das deutsche Stammzellgesetz in zwei Jahren überprüft werden soll. Seit 2002 ist das therapeutische Klonen in Deutschland gänzlich verboten und embryonale Stammzellforschung nur mit Zellen aus dem Ausland erlaubt, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden.

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Viele Kleinigkeiten


Den technischen Durchbruch hat Hwang ohnehin nicht durch einen besonderen Trick beim Klonen erlangt, sagt Angelika Schnieke, Klonforscherin der Technischen Universität München in Weihenstephan. Zwar sei Hwangs Arbeit "imposant", doch es seien nur viele Kleinigkeiten verbessert worden, sagt die Forscherin, die an den Experimenten beteiligt war, die 1997 zum ersten Säugetier-Klon, dem Klon-Schaf Dolly, führten. "Die können eben jede Menge üben", sagt Schnieke. In dem koreanischen Labor optimieren 125 Mitarbeiter sieben Tage die Woche ab morgens um sechs Uhr jeden einzelnen Schritt der Prozedur. Das Optimum des eigentlichen Klonprozesses scheint Hwangs Team so offenbar schon erreicht zu haben. Bereits vor einem Jahr hatte Hwang eine Methode entwickelt, nachdem der Kern der Eizelle nicht per Pipette herausgesaugt, sondern durch sanften Druck herausgequetscht wird. Auf diese Weise werden wohl wichtige Strukturen innerhalb der Eizelle, die für die ersten Zellteilungen nötig sind, geschützt. Dadurch erreichte Hwang eine Erfolgsrate von rund 30 Prozent, also fast jede dritte manipulierte Eizelle entwickelte sich nach der chemischen Aktivierung des Teilungsprozesses bis zu einem bestimmten Embryonalstadium, der Blastozyste. Für den jüngsten Erfolg verbesserte Hwang die Nährmedien für die Eizellen, Embryonen und Stammzellen und behandelte die Hautzellen, deren Zellkern in die Eizelle eingesetzt wird, schonender. Die Kloneffizienz steigerte sich jedoch lediglich auf 35 Prozent. Deshalb ist auch die Äußerung von Hwang gegenüber den Medien, sein Erfolg sei auf die Verwendung von qualitativ besseren Eizellen jüngerer Frauen zurückzuführen, wohl eher ein politisches Signal für die Eizellspende.

"Was wirklich besser geworden ist, ist der Schritt von der geklonten Blastozyste hin zur Stammzelllinie", sagt Schnieke. Da sich die Stammzellen im Inneren der geklonten Blastozyste befinden, haben Forscher die äußeren Zellen bisher mit Hilfe von so genannten Antikörper-Molekülen entfernt, bevor die Stammzellen in die Kulturschale überführt werden. Hwang verzichtet auf diesen aggressiven Schritt und hat es deshalb in zwei Fällen geschafft, aus nur einer einzigen Blastozyste eine Stammzellkultur anzulegen. Noch vor einem Jahr gelang das nur in einem von zehn Versuchen. Das sei umso erstaunlicher, sagt Schnieke, als es bisher überhaupt nur bei Maus, Mensch und Affe möglich ist, embryonale Stammzellen in Kultur zu züchten. Bei Kuh und Schwein beispielsweise, bei denen das Klonen inzwischen Routine ist, sei das bisher nicht gelungen.

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Kostbare Eizellen


Diese technischen Verbesserungen sorgen dafür, dass Hwang jetzt nur noch etwa 17 Eizellen benötigt, um eine geklonte Stammzelllinie herzustellen. Vor einem Jahr brauchte er noch über 240 Eizellen. Die Eierstöcke von 16 Frauen mussten für diese unabdingbare Ressource des Klonens mit einer Kanüle durch die Bauchdecke hindurch punktiert werden. Selbst in Korea, wo Eizellspende erlaubt ist, geriet Hwang dafür in die Kritik. Vor allem weil unter den "freiwilligen" Spenderinnen Angestellte aus seinem Labor waren. In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz die Verwendung von Eizellen für andere Zwecke als die künstliche Befruchtung, in Großbritannien dürfen nur die überzähligen Eizellen verwendet werden, die Reproduktionsmediziner bei Befruchtungsversuchen übrig lassen. Die höhere Ausbeute pro Eizelle entkräftet nun eines der Hauptargumente gegen das therapeutische Klonen, den hohen Verbrauch von Eizellen. Um das gute Dutzend Eizellen für eine erfolgreiche Klonprozedur zu gewinnen, muss Hwang jetzt nur noch einer Spenderin die Eierstöcke punktieren, da dabei zwischen 10 bis 20 Eizellen entnommen werden können.

Bis hierhin, bis zur Herstellung der Klon-Stammzellen, ist therapeutisches Klonen seit Freitag also Realität. Doch alles danach ist Idee: Weil das Ersatzteillager aus Stammzellen besteht, die das gleiche Erbgut tragen wie der Patient, müssten sie ohne Gefahr einer Abstoßungsreaktion transplantiert werden können. Doch zuvor müssen aus den Stammzellen erst die hochspezialisierten Zellen herangezüchtet werden, die gegen Parkinson, Rückenmarksverletzungen oder Diabetes eingesetzt werden können. Ob das gelingt, ist völlig offen. Denn das Züchten spezieller Gewebe aus Stammzellen steckt noch in den Anfängen. Bis heute ist es beispielsweise nicht gelungen, die Betazellen herzustellen, mit denen Zuckerkranke wieder Insulin produzieren können. Zumindest in der "Science"-Veröffentlichung warnt sogar Hwang selbst vor vorschneller Euphorie. Bevor geklonte Zellen klinisch verwendet werden können, müsse untersucht werden, ob ihre Transplantation sicher, effektiv und verträglich sei, schreibt der Koreaner.

Eckhard Wolf, Klonforscher an der Ludwigs-Maximilian-Universität München, glaubt ohnehin nicht, dass Klonen als therapeutisches Werkzeug jemals Realität wird. Der technische Aufwand sei viel zu groß. "Es muss sich erst zeigen, ob auch andere Labors so effizient geklonte embryonale Stammzelllinien herstellen können." Außerdem lasse die Arbeit offen, ob die geklonten Stammzellen normal sind und sich zu verschiedenen Geweben heranzüchten lassen. Wenn man Mäuse klont, dann könne man zehnmal mehr embryonale Stammzelllinien gewinnen als sich ausgewachsene Klonmäuse herstellen lassen, sagt Angelika Schnieke. Im Laufe der Embryonalentwicklung stellen sich schwerwiegende Entwicklungsfehler ein, die zu Fehlgeburten führen. Und worin der molekulare Unterschied zwischen den Stammzellen und den ausgewachsenen Klonmäusen besteht, sei nach wie vor unklar. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Probleme des therapeutischen Klonens erst auftreten, wenn die Forscher aus den Klon-Stammzellen die speziellen Gewebe heranzüchten wollen. Die Hoffnung muss noch viele Hürden nehmen, bis sie zur Therapie werden kann.

Von Sascha Karberg

(wst[1]/Technology Review)

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