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Von Klonen und Embryonen



HANDELSBLATT, Freitag, 16. Juli 2004, 05:47 Uhr


Stammzellen-Forschung


Von Klonen und Embryonen


Von Regina Krieger, Handelsblatt


Verlage bieten verständliches Basiswissen an.


Als Woo Suk-hwang und Shin Yong-moon im Februar vor die Presse traten, war die Welt schockiert. Die beiden südkoreanischen Wissenschaftler von der HangyangUniversitätsklinik in Seoul erklärten, menschliche Embryonen geklont und aus ihnen Stammzellen gewonnen zu haben. Acht Jahre nach der Geburt des Versuchs-Schafs Dolly war die Vision vom geklonten Menschen plötzlich greifbar nahe.

Politiker in Deutschland überboten sich sofort mit Warnungen, gemeinsam weltweit gegen das so genannte therapeutische Klonen vorzugehen, ganz zu schweigen vom reproduktiven Klonen. Beides ist in Deutschland verboten. Doch das Tabu war gebrochen, die Diskussion über die Stammzell-Forschung flammte auf wie jedesmal, wenn echte medizinische Fortschritte oder Scharlatanerien gemeldet werden. Mit der Diskussion kamen medizinische Halbwahrheiten und Vorurteile, basierend auf mangelndem Fachwissen.

1998 wurden zum ersten Mal menschliche embryonale Stammzellen isoliert und kultiviert, seitdem hat die Forschung Riesenfortschritte gemacht. Zu schnell für Laien, die das Wort „Klonen“ aufschreckt. Der Angst vor den Folgen neuer medizinischer Techniken steht der Wunsch gegenüber, bisher unheilbare Krankheiten wir Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose schon bald in den Griff zu bekommen. Diskutiert wird die Frage, ob Embryonen ein auf Menschenwürde gründendes Lebensrecht haben oder zu Forschungszwecken getötet werden dürfen.

Die deutschen Buchverlage haben diese Wissenslücke entdeckt. Allein in diesem Jahr sind vier Bücher erschienen, die Aufklärung und Informationen versprechen und zur Versachlichung der Diskussion beitragen wollen. In einer leicht lesbaren, klaren Sprache beschreibt die Tübinger Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard in zwei Büchern das Werden des Menschen von der Zeugung über die Zellteilung bis zur Frage der Reproduzierbarkeit von kranken Organen durch Stammzellen. Sie beginnt mit Abstammung und Vererbung, zitiert Aristoteles, erklärt Darwin und Mendel, schreibt über DNA und Genome und widmet sich durchaus kritisch der Stammzell-Forschung und ihren ethischen, moralischen und juristischen Grenzen.



„Mehr Wissen über Stammzellen“ ist ein gut gegliedertes Nachschlagewerk mit vielen Bildern, Grafiken und Infokästen. Ausführlich wird dargestellt, wie embryonale Stammzellen gewonnen werden, deren besondere Eigenschaft ihre Vermehrungsfähigkeit und ihr Differenzierungspotenzial sind: Beim therapeutischen Klonen wird einer menschlichen Eizelle der Zellkern entnommen und durch den Kern der Körperzelle eines Patienten ersetzt. Das Ei wird dann künstlich stimuliert, um sich weiter zu entwickeln, wie es bei einer Befruchtung durch Spermien der Fall wäre.

Die so entstehenden Stammzellen haben die Fähigkeit, sich zu jedem Zelltyp des menschlichen Körpers entwickeln zu können, etwa zu Herz-, Leber- oder Nervengewebe, das vom Immunsystem nicht als fremd erkannt und deshalb auch nicht abgestoßen würde.

„Das Subjekt der Würde“ der Philosophin Christine Zunke beschreibt detailliert den Stand der Diskussion in Deutschland und räumt der moralischen Frage großen Raum ein. Doch auch die Autorin findet keine Lösung für das ethische Dilemma, dass sowohl das Töten (menschlicher Embryonen) als auch die unterlassene Heilung eines Menschen der Menschheitswürde widersprechen.

Deutlich bezieht sie Position zur wirtschaftspolitischen Bedeutung der Stammzell-Forschung: Die Debatte habe objektiv die politische Funktion, diese Forschung zu legitimieren, meint sie. Deshalb werde in der Öffentlichkeit die Alternative Embryonen schützen/Kranke heilen konstruiert. Schließlich gehe es um den Standort Deutschland. Sie verweist auf das Bonmot von Bundeskanzler Schröder, der sich eine Diskussion „ohne ideologische Scheuklappen“ wünscht.



Die Mehrzahl der Wissenschaftler hält das Stammzellengesetz von 2002 für unbefriedigend. Es verbietet die Herstellung und den Import von menschlichen embryonalen Stammzelllinien, gestattet jedoch zugleich den Import von Zellkulturen zu Forschungszwecken. Diese müssen aber vor dem 1. Januar 2002 etabliert worden sein. Nobelpreisträgerin Nüsslein-Volhard kritisiert das „sehr strenge“ Gesetz. Die restriktive Regelung könne teuer werden, denn auch deutsche Patienten werden die neuen Therapien nutzen wollen. Deutschland müsse sich an der Forschung beteiligen, „um nicht das Risiko dieser aufwendigen Forschung ganz den ausländischen Forschern zu überlassen.“

Der Weg von der Grundlagenforschung zur Umsetzung ist aber noch weit: Frühestens in sechs bis zehn Jahren werden Stammzelltherapien bei Herzkrankheiten und Diabetes einsetzbar sein, weitere fünf Jahre später bei MS und Alzheimer, ergab die Delphi-Studie des Berliner Max-Delbrück-Centrums und des Forschungszentrums Jülich.



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