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2005/10/21 (02:31) from 129.206.197.108' of 129.206.197.108' Article Number : 256
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Blauer Berg trifft weiße Wolke
Auftakt zur Buchmesse
Blauer Berg trifft weiße Wolke
Von Hannes Hintermeier




19. Oktober 2005 Mit Nord-Korea ist es dann doch nichts geworden. Trotz vielfältiger Bemühungen auf diversen diplomatischen Ebenen hat sich Pjöngjang nicht davon überzeugen lassen, am Ehrengastauftritt Koreas - der beide Hälften des geteilten Landes repräsentieren sollte - teilzunehmen.


So bleibt es Südkorea vorbehalten, der Buchwelt zu beweisen, daß das Land weit mehr ist als jene den Weltmarkt erfolgreich erobernde Industrienation, als die sie im Westen bekannt ist. Premierminister Lee Hae-chan erinnerte bei der Eröffnung, bei welcher der hessische Ministerpräsident Koch und die Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth sprachen (Außenminister Fischer hatte abgesagt), an die lange Traditon der Druckkunst und an die mit dieser einhergehenden Literaturbegeisterung, die Korea vor allen anderen asiatischen Völkern auszeichne. Die Buchmesse lobte er als eine geistige „Seidenstraße der Kultur”, die helfen könne, an die Stelle des oberflächlichen Verständnisses der Informationsgesellschaft wieder ein wirkliches Interesse am „großen geistigen Erbe anderer Kulturen” zu wecken.

Die vollkommene Schönheit

Einen Eindruck von den Eigentümlichkeiten der koreanischen Literatur vermittelte der Schriftsteller Ko Un. Man sei keineswegs nach Frankfurt gekommen, um dem im Westen tiefverwurzelten Orientalismus etwas Glanz hinzuzufügen. Er illustrierte seine Haltung mit einem lyrischen Gleichnis: Der Gast werde in den buddhistischen Klöstern „Weiße Wolke” genannt, der Gastgeber „Blauer Berg” - die Vereinigung von Wolke und Berg bilde in der traditionellen Landschaftsmalerei Koreas die vollkommene Schönheit.

In seinem autobiographisch grundierten Rundgang durch die Literatur der Moderne hob Ko Un die Fähigkeit der Koreaner hervor, „kreative Peripherie” zu sein - auch zur Zeit der japanischen Besetzung seines Landes. Mit Hinblick auf die derzeitige Trennung sagte er: „Wir finden Trost in der Tatsache, daß die Literatur aus dem Norden Seite an Seite mit der unseren steht.” In der künftigen Literaturgeschichte würden die Texte aus der Periode der Teilung eine „komplexe, subtile und bemerkenswerte Rolle” spielen.

Wieder ein Rekordjahrgang

Aus wirtschaftlicher Perspektive könnte die Messe nach drei schwachen Jahren im Buchhandel wieder ein Signal des Aufbruchs werden. Der neue Messedirektor Jürgen Boos konnte jedenfalls die siebenundfünzigste Ausgabe der weltgrößten Buchmesse wieder als Rekordjahrgang ankündigen. Mehr Aussteller (7223, im Vorjahr 6691) und vier Prozent mehr vermietete Ausstellungsfläche (168 790 Quadratmeter) bei annähernd gleicher Zahl von ausgestellten Neuerscheinungen (104 231).

Damit bestätigte Boos bei der Eröffnungspressekonferenz indirekt, was der scheidende Vorsteher des Börsenvereins, Dieter Schormann, als Bilanz der vergangenen drei Krisenjahre zum besten gegeben hatte: Handel und Verlage hätten gelernt, schneller auf Trends zu reagieren, mehr auf Design, Erlebnis und Wohlfühlfaktoren zu achten. Trotz des Beschusses, dem sich das preisgebundene Buch durch Sondereditionen und Zeitungsbibliotheken ausgesetzt sieht, könne man das als Kompliment dem Medium gegenüber auffassen. Schormann: „Es hätten ja auch Zigarren und Wein sein können.”

Wirtschaft, Kultur, Politik

Aus der Kuschelecke heraus will offensichtlich der neue Mann an der Spitze: Jürgen Boos entwickelte ein Drei-Säulen-Modell, auf dem die Messe fuße - Wirtschaft, Kultur und Politik. Durch „aktives Change-Management” werde sich der Veranstalter weiter als profitables Unternehmen behaupten: Hier nannte Boos etwa den verstärkten Handel mit Film- und Fernsehrechten. Die Sparte Fachinformation werde 2006 durch einen Kongreß gestärkt, den man der Computermesse Cebit abgeworben habe; internationale Partnerschaften, wie die Südafrikanische Buchmesse in Kapstadt im Juni 2006, sollen Signale setzen.

Der Kampf gegen Analphabetismus durch Leseförderung sei Kernaufgabe der größten Kulturveranstaltung der Welt. Verstärken möchte Boos die Rolle der Messe als Plattform für den politischen Diskurs. In Zusammenarbeit mit dem PEN-Club, dessen Präsident Johano Strasser dieses gemeinsame Ansinnen bekräftigte, werde man auch Debatten mit Gastländern keineswegs ausweichen. Boos setzt auf Aufbruch: Die Buchmesse sei aus der Standortdiskussion der letzten Jahre gestärkt hervorgegangen. Vielleicht liegt es an diesem neuen Selbstbewußtsein, daß von den leidigen Hotelpreisen, die wie die Messe immer neuen Rekorden zustreben, niemand reden mochte.

Text: F.A.Z., 19.10.2005, Nr. 243 / Seite 35
Bildmaterial: Frankfurter Buchmesse/Hirth, dpa/dpaweb, ddp, AP


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