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2005/11/25 (17:41) from 129.206.196.145' of 129.206.196.145' Article Number : 271
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Das Ei-Geständnis des Klonforschers





Korea

Das Ei-Geständnis des Klonforschers

Der Wirbel um die Zellspenden im Labor des Nationalhelden Hwang erschüttert Korea.
Von Philip Wolff

  
 
 


Koreas Nationalheld Hwang.
Foto: AFP
 
 
An diesem Abend im Oktober hatten die Kinder Herrn Young kaum wiedererkannt. Ernst und gestresst wie kleine Erwachsene waren sie um 23 Uhr vom Unterricht heimgekehrt, wie alle südkoreanischen Grundschüler: hart gedrillt auf Fleiß, gute Noten und das ferne Ziel, einmal an einer Hochschule wie der National-Universität zu studieren.

Doch Vater Young vergaß an diesem Abend seine Erziehung, tollte wie ein glückliches Kind durch die Wohnung, jubelte so laut, dass im Wohnblock rundum Lichter angingen und Türen aufflogen. "Ihr glaubt nicht, was ich hier habe!" Er schwenkte ein Visitenkartenetui mit dem Schriftzug "Woo-Suk Hwang, Seoul National University". "Ein Geschenk - von IHM persönlich! Ich bin ein Star!"

Die aufgeschreckte Familie und die Nachbarn verstanden sofort. Nickten bewundernd, wollten es auch mal anfassen: das Präsent des Nationalhelden Woo-Suk Hwang. Des großen Vorbildes, dem schon die kleinen Kinder nacheifern müssen. Auch sie begriffen das Theater.



Rhetorik statt Bodyguards
Schließlich ist kein Schauspieler, Politiker oder Popsänger seit anderthalb Jahren im koreanischen Fernsehen so präsent wie der Stammzellforscher Hwang, dem es im Februar 2004 gelungen war, die weltweit ersten Menschen-Embryos zu klonen.

Noch im letzten Wohnblock vor der Südküste, noch auf dem abgelegensten Reisfeld und natürlich auch in Herrn Youngs Nachbarschaft in Daejon City verehrt man Hwang seither als Symbol für die Zukunftsträume des ganzen Landes: Hatte er nicht nach dem Krieg klein angefangen mit Viehzucht und Feldarbeit wie die gesamte Nation, deren Wirtschaft heute fast doppelt so schnell wächst wie in durchschnittlichen OECD-Staaten?

Und liegt in der Person Hwang nicht das Versprechen, Korea werde auch in der Biotechnologie bald international führend sein?

Seit gestern ist dieser Traum ausgeträumt. Herr Young ließ das Visitenkartenetui ganz unten im Schreibtisch verschwinden, nachdem er tagelang wie unter Schock die Nachrichten verfolgt hatte: Hwang habe sich die menschlichen Eizellen für seine Forschung auf unmoralische Weise beschafft. Am Donnerstag gestand der Stammzellforscher nach tagelangen Ausflüchten und kündigte an, alle öffentlichen Ämter niederzulegen.

Theater, zweiter Akt: Die Nachricht erschüttert das ganze Land. Noch bevor Hwang am Donnerstag gestanden hatte, Eizellspenden von seinen Mitarbeiterinnen angenommen zu haben, beschimpften koreanische Fernsehzuschauer in Onlineforen die Berichterstatter: Mit der Kampagne gegen Hwang schade man nationalen Interessen.


 
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Nachdem der Professor nun öffentlich zerknirscht um Entschuldigung gebeten hat, formieren sich seine Sympathisanten neu: Nach einer Umfrage der Korea Times halten zwar 65 Prozent der Teilnehmer das Vorgehen Hwangs für ethisch bedenklich. Schließlich könnten abhängig beschäftigte Frauen zu der schmerzhaften Spende genötigt worden sein. Doch fast 70 Prozent der Gefragten stellen sich weiter hinter ihren Helden. "Ja, ich unterstütze ihn trotzdem", kreuzten sie im Internet an.

Und auch Hwang selbst versucht, Sympathien zu retten: Er persönlich habe Spendenangebote seiner Kolleginnen stets abgelehnt, beteuert er. Und nachdem er im Mai 2004 von den Spenden erfahren hatte, "habe ich geschwiegen, um die Frauen zu schützen".



Die Legende lebt
Mittlerweile dient Hwangs Kampf ums Ansehen dem Selbstschutz. Denn die Attribute seines Heldentums drohen, sich in ihr Gegenteil zu verkehren, und leicht könnte sich persönliche Wut gegen ihn entladen: Herr Young und seine Nachbarn zum Beispiel wollen seit langem aus dem Fernsehen wissen, dass Hwang vom Staat mit Geld regelrecht überschüttet worden ist, damit er keinen lukrativen Ruf ins Ausland annimmt.

Dass er komfortabler ausgestattet wurde als andere Forscher. Ja, dass der Staat ihm sogar einen Trupp Bodyguards stellt.

Die Legende lebt, und es scheint kaum eine Rolle zu spielen, dass solche Star-Attribute mit der Wirklichkeit an Hwangs Arbeitsplatz wenig zu tun haben. Tatsächlich muss, wer den Professor besucht, nur einen Hang auf dem Campus der Seoul National University erklimmen und im "College of Veterinary Medicine" den Aufzug nehmen.

Oben stehen alle Türen offen. Vor Hwangs Büro warten Studenten anstelle von Personenschützern. Und es ist genauso winzig wie jedes koreanische Professoren-Zimmer: zwölf Quadratmeter vielleicht, zwei Ledersessel, dazwischen ein Couchtisch, in der Ecke ein Schreibtisch, auf dem Sideboard zwei Fotos: Hwang mit einem selbstgeklonten Kalb links, Hwang mit seiner Ehefrau rechts, daneben ein kleiner Buddha.

"Was man über mich erzählt, ist frei erfunden", sagt Hwang. "Ich bin kein Star. Ich bin einfach nur Forscher. Und ich forsche nicht in Korea, weil der Staat mich besser bezahlt als andere Professoren. Das stimmt gar nicht. Ich wäre niemals in ein anderes Land gegangen - für kein Geld der Welt. Mein Heimatland hat zu oft unter fremden Interessen gelitten."

Mit solchen Sätzen, lächelnd und mit leiser Stimme vorgetragen, hat er am eigenen Mythos stets fleißig mitgezimmert. Ist er ein guter Schauspieler? Wenn ja, dann allerdings einer, dem auch der Zufall immer wieder hilft: Bis in biografische Details hinein verkörpert er die Werte seiner Landsleute. "Sehen Sie, hier arbeite ich jeden Abend bis Mitternacht. Vier Stunden Schlaf reichen meinem Biorhythmus, dann gehe ich ins Badehaus, mache meine Yoga-Übungen, kümmere mich um die Familie" - und zwischen acht und neun Uhr morgens seien immer die Tiere an der Reihe.

Hwangs Klonkälber, fast hundert sind es mittlerweile. "Ich liebe Kühe", erzählt er, "schon als Fünfjähriger habe ich meiner Mutter in der Kuhzucht geholfen, nachdem mein Vater gestorben war." Fünf Jahre nach dem Ende des Koreakrieges war das.



"Wir spielen nicht Gott"
Wen wundert es, dass eine solche National-Ikone nach eigenen Worten "bis auf wenige religiöse Gruppen nie Klon-Kritiker hier in Korea getroffen" hat?

Den Umgang mit heiklen Fragen trainierte Hwang vor allem im Ausland: "Welchen Anwendungen wir das Tor öffnen, wenn wir menschliche Embryos nach derselben Methode klonen wie das Schaf Dolly?" Über solche Fragen lacht er herzlich. "Keiner! Menschen sind viel zu kompliziert, als dass Klone überhaupt auch nur das Fötenstadium erreichen würden. Ich verstehe nicht, warum Europäer so eine Angst vor unseren Entwicklungen haben. Wir können nicht Gott spielen. Wir versuchen nur, Krankheiten zu heilen, die bis heute Rätsel aufgeben."

Mit dem Aufbau einer internationalen Stammzellbank hat Hwang begonnen. Er will Klon-Embryos von 100 schwerstkranken Patienten herstellen und daraus Stammzellen gewinnen. An denen sollen Wissenschaftler dann unter anderem Alzheimer, Parkinson und Diabetes so weit erforschen können, dass sich durchs Klonen künftig passender Zellersatz für betroffene Gewebe jedes Patienten herstellen lässt.

"Stellen Sie sich einmal vor, wir könnten hier in Korea ein Verfahren entwickeln, um auch nur eine große Krankheit zu besiegen! Das ist mein Traum", sagt Hwang.

Ob dieser Traum in Erfüllung geht, ist fraglich geworden. Zwar will Hwang weiter in seinem Labor arbeiten, doch hat er bereits einen Kooperationspartner verloren. Der Klonforscher Gerald Schatten aus Pittsburgh kündigte ihm wegen der Zellspenden-Praxis die Zusammenarbeit.

Nun zieht sich Hwang aus dem Vorsitz der Welt-Stammzellbank zurück. Und auch dem nationalen Wissenschaftsrat wird er nicht länger angehören.

Und seine Fans? Herr Young sagt, er werde das Visitenkartenetui trotzdem nicht wegwerfen. "Prahlen kann ich damit jetzt nicht mehr. Aber bestimmt hat es bald historischen Wert."





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