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2005/11/28 (20:33) from 129.206.197.55' of 129.206.197.55' Article Number : 275
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Mahnwache für den gestürzten Klonkönig
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 Mahnwache für den gestürzten Klonkönig
Trotz seiner Lüge über Eizellspenden halten viele Südkoreaner zu Stammzellenforscher Woo-suk Hwang
von Sonja Kastilan

Seoul - Es war ein stiller Protest am Samstag abend. Zwei Stunden lang verharrten mehr als 50 Menschen schweigend vor dem Gebäude der Munhwa Broadcasting Corporation (MBC) in Seoul. Erwachsene und Kinder trugen Kerzen oder handgemalte Anti-MBC-Schildchen. Zusammen mit dem gelähmten Popsänger Won-rae Kang hielten sie Mahnwache, eine Unterschriftenkampagne soll bald folgen.


Damit ächten sie allerdings nicht die Lüge von Professor Woo-suk Hwang. So wäre es in Deutschland mit lauter Klage der Fall – hier ist das therapeutische Klonen gesetzlich verboten, Befürworter der streng geregelten embryonalen Stammzellenforschung werden von Kritikern der Unmoral bezichtigt, deutsche Wissenschaftler fühlen sich kriminalisiert und brauchen mitunter Polizeischutz. Dagegen wird Hwang in Südkorea als Nationalheld gefeiert: Dem Tierarzt ist es als erstem Forscher gelungen, Stammzellen aus einem geklonten menschlichen Embryo zu gewinnen – „Science“-Express im Februar 2004 – und die Methoden inzwischen wesentlich zu verbessern.


Statt 242 Eizellen für eine Stammzellenlinie benötigten seine erfahrenen Mitarbeiter „nur“ noch 185 für elf Linien mit dem jeweiligen Erbgut von Patienten. Die Fachwelt war über seinen zweiten „Science“-Bericht in diesem Frühjahr begeistert, zollte Hwang Respekt, er habe die Behandlung von schweren Leiden wie Parkinson oder Diabetes mittels Stammzellentherapie weit vorangetrieben. Nun sei die Erforschung von Krankheiten in der Zellkultur möglich. Daß es seinem Team außerdem gelungen ist, mit Snuppy den ersten Hund zu klonen, war anschließend keine große Überraschung mehr. Aber am Donnerstag vergangene Woche mußte der sonst recht smarte Südkoreaner „beschämende Worte“ aussprechen und im Blitzlichtgewitter der Fotografen eine Lüge eingestehen.


Der 52jährige hatte seit geraumer Zeit von der Eizellenspende zweier Mitarbeiterinnen für sein Forschungsprojekt 2003 gewußt, das Geschehen aber stets bestritten. Auf entsprechende Verdächtigungen des Fachmagazins „Nature“ angesprochen, beharrte er immer wieder auf einem Nein – auch bei einer Pressekonferenz Ende September in Berlin. Damals nahm sein zuvor freundlich lächelndes Mienenspiel plötzlich harte Züge an. Jetzt läßt der öffentliche Gesichtsverlust jegliche Mimik erstarren. Hwang ist von allen Ämtern zurückgetreten, auch den Vorsitz des „World Stem Cell Hub“ gab er ab. Die auf seine Initiative gegründete Organisation will Wissenschaftler in aller Welt zukünftig von Seoul aus mit krankheitsspezifischen Stammzellen versorgen. Niederlassungen in San Francisco und London waren geplant. Nun widmet sich Workaholic Hwang, der „weder Samstag oder Sonntag noch Urlaub“ braucht, nach dem Höhenflug wieder der Grundlagenforschung. „Vielleicht ist es für Wissenschaftler das Beste, sich auf ihre Forschung zu konzentrieren“, sagt Professor Miodrag Stojkovic, der deutsche Klonpionier im britischen Newcastle. „Hwangs Lüge ist eine Schande für uns alle. Durch die Mißachtung ethischer Belange gerät leider auch seine exzellente Wissenschaft in Mißkredit.“


Die Fans halten zu Hwang, vertrauen auf sein nach wie vor unbestrittenes Können und seinen Wunsch, mittels Stammzellentherapie einmal Millionen von Patienten zu helfen. Deshalb protestieren sie jetzt mit Kerzen gegen die „unausgewogene Berichterstattung“ des Fernsehsenders MBC. Bisher würdigten TV-Berichte Hwangs Forschungsergebnisse, jetzt wurden auf dem Bildschirm die ethischen Verfehlungen zelebriert. Es war der öffentliche Sturz des Klonkönigs, und ausgerechnet sein Freund und Kompagnon, US-Professor Gerald Schatten, hatte den Thronstuhl ins Wanken gebracht. Per Pressemitteilung kündigte Schatten am 12. November die 20 Monate dauernde Zusammenarbeit, weil ihn Hwang über die Eizellenspende belogen hätte. Nun habe er Gewißheit über dessen Fehlverhalten, teilte er am besagten Samstag mit. Die Tage zuvor weilte er bei einem Symposium – mit Hwang noch innig verbunden. Seither spekulieren Kollegen über Schattens Beweggründe, denn er habe deutlich mehr von der Kooperation profitiert, heißt es. „Für Hwang tut es mir sehr leid, absorbiert von der Arbeit, übersah er offenbar die ethischen Probleme. Die Stammzellenforschung erhält nun wieder ein negatives Image“, befürchtet Professor Hans Schöler vom Max-Planck-Institut in Münster. Hwang hätte eher die Konsequenzen ziehen müssen, andererseits: „Warum hat Schatten ihm nicht die Chance zu einer eigenen öffentlichen Erklärung gegeben?“


Sein mühsamer Weg vom armen Bauernsohn mit einem Faible für Kühe zum Wissenschaftler mit VIP-Status machte Hwang zur Symbolfigur für Südkoreas Aufbruch in die Neuzeit. Aber nicht nur deshalb bleibt die Regierung ihrem Volkshelden treu: Das Labor erhält bis 2009 jährlich weiterhin rund drei Millionen Dollar Unterstützung. Hwang hat weder gegen Gesetze noch gegen ethische Richtlinien des Landes verstoßen. Erst seit diesem Jahr gelten entsprechende Regeln.


Er habe seinen jungen Forscherinnen von der Eizellenspende abgeraten, beteuert Hwang, der auch nichts von einer Bezahlung wußte. Daß sie ihr Vorhaben unter falschem Namen umsetzten, erfuhr er erst im Mai 2004 nach einem „Nature“-Bericht. Seine Koautorin Ja Min Koo und eine zweite Kollegin gestanden den riskanten Körpereinsatz in der Tradition wissenschaftlicher Selbstversuche. Ihnen eifern jetzt Hunderte Südkoreanerinnen nach: Nach Hwangs Geständnis meldeten sich rund 1000 Frauen, so berichtet die Zeitung „The Korea Times“, freiwillig zur Eizellenspende.


Artikel erschienen am Mo, 28. November 2005
 
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