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2005/11/28 (21:06) from 129.206.197.55' of 129.206.197.55' Article Number : 277
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Eizellen für das Vaterland
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Klonen
Eizellen für das Vaterland


27. November 2005 Hwang Woo-suk, der koreanische König der Kloner, ist von allen Ämtern zurückgetreten. Warum eigentlich? Ein Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit der Ethikerin Ingrid Schneider.


Warum wirft die Welt Hwang Woo-suk falsches Verhalten im Zusammenhang mit seinen spektakulären Klonversuchen vor?


Hwang Woo-Suk hat resigniert
In erster Linie, weil er schlicht gelogen hat. Er wußte mindestens seit einem Jahr, daß zwei Frauen aus seinem Labor Eizellen für seine Forschung gespendet hatten. Das aber hat er trotz Nachfragen gegenüber der Öffentlichkeit geheimgehalten. Dies ist wissenschaftliches Fehlverhalten, hat allerdings wenig mit der Zulässigkeit der Eizellspende per se zu tun.

Viele Beobachter entrüsten sich darüber, daß zwanzig koreanische Frauen je 1400 Dollar für frische Eizellen zum Klonen bekommen haben und in Hwangs Labor zwei Spenderinnen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Chef standen. Was sagt die Ethik zu diesen Praktiken?

Es erscheint intuitiv klar, was daran unmoralisch ist, aber so eindeutig ist die Sache nicht. Es gibt keine international einheitliche Ethik, die eine fremdnützige Eizellspende ausschließt. Denn im Kern geht es bei der Eizellspende um eine freiwillige körperliche Selbstschädigung für Dritte. Denn anders als eine Blutspende bergen eine Hormonstimulation und die Ernte reifer Eizellen für die Frauen ein nicht unerhebliches Risiko.

Darf der Arzt der freiwilligen Spenderin, die dem Eingriff zustimmt, mit gutem Gewissen Eizellen entnehmen, um sie für Zwecke der Forschung zu nutzen?

Wer ehrlich über die Risiken der Prozedur für gesunde Frauen aufklärt, der muß einräumen, daß den Frauen tagelang hohe Dosen Hormone gespritzt werden und sie dann einen invasiven Eingriff über sich ergehen lassen müssen. Frauen können durch den Eingriff schlimmstenfalls sogar ihre Fortpflanzungsfähigkeit verlieren. Verletzungen beim Eileiter oder Narben kommen vor, die eine spätere natürliche Zeugung unmöglich machen können. Berichtet wurde auch über vereinzelte Todesfälle nach der Hormonbehandlung.

Eine Eizellspende gesunder Frauen ist also mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden?

Ja, und anders als bei einer Lebendspende für einen Ehepartner hat die Spenderin im Fall der Forschungsspende nicht einmal einen indirekten Nutzen. Für Ärzte gilt auch in diesem Fall der hippokratische Eid: „Zuallererst - nicht schaden!” Niemand kann mich davon abhalten, mir den Arm abzuhacken, wenn ich das für die eigene Forschung unbedingt tun will. Wenn ich aber einen Arzt dazu bringen will, mir den Arm abzuhacken, muß der Arzt nein sagen, weil das Risiko des Eingriffs für mich als gesunden Menschen schlicht unverantwortlich hoch ist.

Wäre die Logik eine andere, wenn Professor Hwang nicht ein Mann, sondern eine Frau wäre, die ihre eigenen Eizellen für die eigene Klonforschung spenden würde, quasi als Selbstversuch?

Medizin lebt von Visionen. Gäbe es also eine Frau Hwang, die überzeugt wäre, das Klonen zur Stammzellgewinnung sei ihr Lebenswerk, und wäre sie bereit, für diese hochrangige Idee ihren eigenen Körper einzusetzen, ohne Dritte zu schädigen, verstößt das per se gegen keine Ethikrichtlinie. Anders liegt der Fall aber, wenn ein Professor von seiner Doktorandin für eine von ihm begutachtete Doktorarbeit verlangt, sich selbst Blut abzunehmen. Weil eine Blutprobe gemeinhin als minimales Risiko gilt, kann das in Ordnung gehen. Da aber eine Eizellspende ein nicht unerhebliches Risiko birgt, handelt es sich hier um ein Abhängigkeitsverhältnis, in dem sanfter Zwang eine Rolle spielen kann. Die Eizellspende von Untergebenen trägt gewissermaßen den Ruch von Unzucht mit Abhängigen.

Viele halten Südkorea derzeit für eine Art Wilden Westen der Klonforscher. Gibt es Eizellspenden aber nicht auch woanders?

Die Koreaner agieren jedenfalls nicht unmoralischer als andere Nationen. In den Vereinigten Staaten kann jede Frau mehrmals Eizellen spenden oder verkaufen, das ist gesetzlich nicht reguliert. Generell scheint man über die Herkunft und die Lage der Frauen, von denen die frischen Eizellen für Forschung und vor allem künstliche Befruchtung stammen, eigentlich nichts wissen zu wollen. Dabei erhalten junge Frauen bis zu 5000 Dollar pro Spende, mit denen sie dann Studium oder Lebensunterhalt finanzieren. Auch für Klonversuche mit menschlichen Embryonen in privaten Unternehmen haben Frauen schon vor Jahren Eizellen gegen Geld abgegeben. Das wurde von amerikanischen Ethikkommissionen abgesegnet.

Werden auch in Europa Eizellen gespendet?

In Europa sagt die EU-Geweberichtlinie, daß die freiwillige und nicht entlohnte Spende der Bezahlung vorzuziehen ist. Diese Form des Altruismus bei der Spende von Körperbestandteilen hat Tradition. So ist die kommerzielle Blutspende in Europa eher tabuisiert. Es gibt aber auch hier die Grauzone zwischen Aufwandsentschädigung und echter Bezahlung. Die Erstattung von Reisekosten oder ausgefallener Arbeitszeit gilt generell als legitim. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien ist die Eizellspende gesetzlich verboten oder wird zumindest nicht praktiziert.

Um dennoch an Eizellen zu kommen, reisen betroffene Paare immer öfter nach Osteuropa oder Spanien. In Rumänien sorgte kürzlich ein Fall für Aufregung, bei dem Frauen von einer amerikanischen Firma 250 Euro für eine Eizellspende erhielten. Das ist eine Menge Geld in diesem armen Land . . .

Was in einem Land eine Aufwandsentschädigung ist, kann in einem anderen Land ein ungebührlicher Anreiz sein. Ein Anreiz also, dem sich eine arme Frau in Rumänien nur schwer entziehen kann. Wo immer es einen Transfer von Körperbestandteilen zwischen reichen und armen Ländern gibt, etabliert sich der fragwürdige Markt des Eizellhandels. Im Fall Rumänien haben bedürftige Frauen angeblich freiwillig ihre Zustimmung gegeben, obwohl im Aufklärungsformular stand, daß die Fortpflanzungsklinik nicht für eventuelle Nachfolgebehandlungen aufkomme und die Frau dort nicht mehr behandelt werden könne. Das ist offenkundig unmoralisch. Um solche Praktiken zu verhindern, müßte jedes Land, das die Eizellspende zuläßt, zumindest eine Haftung für alle Frauen bereitstellen, die Schäden und Berufsunfähigkeit nach einer Eizellspende erleiden.

Viele Forscher wollten bisher mit Hwang kooperieren. Niemand fragte wirklich danach, wo die Eizellen zu Hunderten herkommen. Denken koreanische Frauen anders als der Rest der Welt über die Eizellspende?

Das merkwürdige ist der Patriotismus vieler Koreanerinnen. Dort gibt es offenbar Frauen, die tatsächlich für die nationale Biotechnologieindustrie spenden wollen. Sie sind bereit, dafür einen Teil ihrer körperlichen Integrität zu opfern. Die Technik wird beklatscht, Hwang ist ein Nationalheld. In Südkorea wird aber auch offen an die Opferbereitschaft der Frauen appelliert. Eizellspenderinnen werden mobilisiert als Rohstofflieferantinnen an der Front im Kampf gegen Krankheiten. Da spielen Fragen der Standortkonkurrenz hinein. Die Zukunft gehört Asien, hoffen viele Koreaner und wollen in der Stammzellforschung die Vereinigten Staaten endlich einmal überflügeln.

Betrachten viele Koreaner den Fall also womöglich gar nicht als ethisches Dilemma?

Es gibt auch in Korea ethische Vorbehalte. Trotzdem könnte es womöglich sogar zu einer Solidarisierung mit Professor Hwang kommen. Man sollte aber nicht vergessen, daß ganz offensichtlich auch koreanische Frauen bisher nicht aus völlig selbstlosen Erwägungen Eizellen gespendet haben, sondern dafür eben entweder mit beachtlichen Summen entlohnt wurden oder ihre Karriereoptionen verbessern wollten.

Wenn Eizellen weiterhin eine knappe Ressource bleiben: Wie steht es dann um die Zukunft der Klonforschung?

Das zentrale Problem der Klonforschung ist ihre atemlose Beschleunigung. Da ist ein Run entstanden, bei dem alles gemacht werden soll, was technisch möglich ist. Und weil es Restriktionen in einigen Ländern gibt und in anderen nicht, weisen Regionen mit laxeren Regeln plötzlich angebliche Standortvorteile auf. Wenn nun ein Forscher diesen Vorteil im eigenen Land nicht genießt, sucht er schnell nach Tricks, um die Regeln durch internationale Arbeitsteilung und Delegation der Verantwortung zu umgehen. Der globale Effekt ist: Konkurrenz und Kooperation treiben den Klonwettlauf immer weiter an, Ethik und vertiefte öffentliche Diskussion drohen dabei unter die Räder zu geraten.




Die Fragen stellte Volker Stollorz .
Ingrid Schneider arbeitet an der Universität Hamburg am Forschungsschwerpunkt Biotechnologie, Gesellschaft, Umwelt und beschäftigt sich seit Jahren mit den Folgen der Reproduktionsmedizin.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.11.2005
Bildmaterial: picture-alliance / dpa, picture-alliance/ dpa


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