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Aus der Traum
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DIE ZEIT


41/2005  


Aus der Traum

Der Koreaner Hwang Woo-Suk scheint wesentliche Teile seiner bahnbrechenden Stammzellarbeiten manipuliert zu haben. Ein Forschungsfeld droht im Morast von Fälschung, Intrige und Ethik-Verstößen zu versinken

Von Kathrin Zinkant

Der Brief war nur wenige Sätze lang und füllte nicht einmal eine halbe Seite. Doch die Autorenzeile der Eilveröffentlichung hatte es in sich: Ian Wilmut, der Vater von Klonschaf Dolly, war dabei. John Gearhart, der 1998 - zeitgleich mit James Thomson - die ersten menschlichen embryonalen Stammzellen überhaupt gewinnen konnte, auch. Diese und weitere sechs Koryphäen der Stammzellforschung forderten am Dienstag im amerikanischen Wissenschaftsmagazin Science ihren einst hochgeschätzten Kollegen Hwang Woo-Suk auf, die Karten auf den Tisch zu legen: Der koreanische Klonkönig sollte ihnen die Überprüfung seiner wichtigsten Arbeit ermöglichen. Sie wollten die Daten haben, Proben der angeblich patienteneigenen Stammzellen, die Hwang im vergangenen Mai der Weltöffentlichkeit präsentierte. Sie wollten es wissen - und scheuten sich nicht, den härtesten aller Vorwürfe durchscheinen zu lassen: scientific misconduct, wissenschaftliches Fehlverhalten. Kurz: Betrug.

Zwei Tage später scheint aus dem Verdacht Gewissheit zu werden: Wie internationale Agenturen melden, hat Hwang unter dem wachsenden Druck der Wissenschaftlergemeinschaft die Fälschung wichtiger Daten in seinen einst als bahnbrechend bewerteten Arbeiten zugegeben. Sein koreanischer Kollege Roh Sung-il sagte koreanischen Medien, er habe mit Hwang gesprochen und man habe gemeinsam beschlossen, die Science-Publikation vom Mai zurückzuziehen. Neun der elf Zelllinien seien manipuliert, die Identität der übrigen zwei bliebe fragwürdig. Science hat zu diesen Aussagen noch nicht Stellung bezogen, doch dass es sich bei Rohs Statements um falsche Behauptungen handelt, ist höchst unwahrscheinlich. Roh ist einer der Ko-Autoren des betreffenden Stammzellpapers.

Es wäre der Höhepunkt eines peinlichen Dramas, das die Wissenschaft in dieser Form bisher nur selten erlebt hat. Hwang galt als Superstar des Forschungsfeldes, seit er als erster menschliche embryonale Stammzellen geklont und solche Zellen später, mit einem optimierten Verfahren, auch noch für elf Patienten maßgeschneidert hatte. Damit schien bewiesen, dass der große Traum der Stammzellforschung wahr werden könnte: Individueller Ersatz für kranke Gewebe, Heilung für Parkinsonkranke, Gelähmte, Diabetiker und Herzpatienten. Der junge Koreaner avancierte zum Nationalhelden, seine Regierung investierte Millionen Dollar in die verheißungsvollen Stammzellen, fast alle international renommierten Forscher planten Projekte mit dem Forscher. Auf internationalen Meetings herrschte Hochstimmung.

Der Enthusiasmus ließ vergessen, dass bereits nach Erscheinen der ersten bahnbrechenden Studie in Science, Gerüchte kursierten um die Herkunft eines sehr kostbaren Materials: Woher hatte Hwang die 242 menschliche Eizellen für seinen ersten Versuch bekommen? Frauen müssen sich für eine Spende drastischen Hormonkuren unterziehen, weshalb solch eine Spende nach den anerkannten ethischen Standards freiwillig erbracht werden muss und niemals von abhängigen, zum Beispiel Angestellten, verlangt werden darf.

Genau das hatte Hwang aber getan: Am 24. November gab er zu, dass er sich für die erste seiner bahnbrechenden Stammzellstudien Eizellen von abhängigen Mitarbeiterinnen spenden ließ und damit gegen alle ethischen Regeln internationaler Forschung verstieß. Erst kurz zuvor war sein engster Berater, der amerikanische Reproduktionsmediziner Gerald Schatten aus Pittsburgh, auf Distanz zum Koreaner gegangen – aus Bestürzung über die (zu diesem Zeitpunkt unbestätigten) Praktiken des Kollegen, wie Schatten selbst behauptete, vermutlich aber aus dem einfachen Grund, weil er seine eigene Haut retten wollte. Hwang hielt schließlich alleine den Kopf hin, gab sein Amt als Präsident einer gerade erst gegründeten Stammzellbank ab und zog sich in sein Labor an der Universität von Seoul zurück. Nur noch forschen wollte er, die koreanische Politik stärkte ihm da noch den Rücken.

Wäre es bei dem Skandal um die Eizellen geblieben, die internationale Stammzellforschung hätte zwar nicht mehr mit dem Koreaner zusammengearbeitet, sich aber auf seine Ergebnisse stützen können. Doch das koreanische Fernsehen ließ erste Zweifel an den Ergebnissen aus Hwangs Labor keimen, und schon bald sah sich der Koreaner mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe in seiner zweiten Arbeit vorsätzlich falsche Abbildungen verwendet. Nicht nur das: Plötzlich fiel auch auf, dass die genetischen Fingerabdrücke von angeblich verschiedenen Stammzelllinien verdächtig ähnlich aussahen. Die Universität von Seoul, um eine Rettung ihres Image bemüht, setzte eine Prüfungskommission ein.

Es war wiederum Gerald Schatten, der in dieser Woche mit einem weiteren, bemerkenswerten Vorstoß Signale setzte: Er bat Science, seinen Namen von der gemeinsamen Publikation mit Hwang zu entfernen – und betonte, er habe inhaltlich kaum zu den Veröffentlichungen beigetragen. Wie zuvor wollte Schatten den Ereignissen offenbar vorauseilen, doch das Magazin ist seiner Forderung nicht nachgekommen. Die Herausgeber verkündeten, dass nur ein gemeinsamer Rückzug des betreffenden Artikels durch alle beteiligten Autoren möglich sei. Dass dieser Fall eintritt, ist nun sehr wahrscheinlich - und für die Stammzellforschung wäre das ein herber Schlag.



(c) ZEIT online, 15.12.2005

http://www.zeit.de/online/2005/51/hwang_faelschung



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