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Nasa sucht nach Regeln für Sex und Tod







SPIEGEL ONLINE - 09. Mai 2007, 10:28
URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,481543,00.html

LANGZEIT-ALLFLÜGE
Nasa sucht nach Regeln für Sex und Tod
Wie sollen Astronauten auf Langzeitmissionen mit Krankheit und Tod umgehen? Was, wenn die Frage lautet: Mann oder Mission? In einem Ethikpapier spielt die Nasa Probleme künftiger Mond- und Marsflieger durch. Vor einem pikanten Thema aber drückt sie sich: Sex im All.

In der eisigen Einsamkeit des Weltalls könnten kalte Entscheidungen fällig werden, die so gar nicht zu den glitzernden Plänen interplanetarer Langzeitmissionen passen. Was, wenn ein Astronaut künftiger Missionen schwer krank wird oder sich verletzt? Was, wenn er dann wertvolle Ressourcen verbraucht, gar den Erfolg der teuren Reise gefährdet?


Langzeit-Missionen: Was tun wenn...?
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"Wie Sie sich vorstellen können, denken die Leute darüber nicht besonders gerne nach", sagte Richard Williams. Als Chief Health and Medical Officer ist er der oberste Verantwortliche der US-Weltraumbehörde Nasa für Gesundheit und Wohlbefinden der Astronauten. Und er ist derjenige, an dem solche Fragen hängen bleiben. "Wir versuchen, einen ethischen Rahmen zu entwickeln, um Kommandanten und Missions-Manager auf solche schwierigen Entscheidungen vorzubereiten."

Binnen der nächsten 30 Jahre will die Nasa eine permanent besetzte Mondbasis aufbauen und Menschen auf die lange Reise zum Mars schicken. Hin- und Rückflug würden rund drei Jahre dauern. "Da könnte es passieren, dass das Risiko für Leib und Leben gegen den Missionserfolg abgewogen werden muss", sagte Paul Root Wolpe, Bioethiker an der University of Pennsylvania und seit 2001 Nasa-Berater für solche Angelegenheiten.

Die Nasa beschäftigt sich mit den beunruhigenden Fragen über Leben, Tod und Malaise im Weltraum vorzugsweise im Stillen. Erst über einen Antrag auf Dokumenteneinsicht im Rahmen des US-Gesetzes zur Informationsfreiheit erhielt die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) Einblick in einen Textentwurf der Weltraum-Ethiker.

Verhalten gemischtgeschlechtlicher Crews

Der aber mutet bislang eher wie die außerirdische Ausgabe eines deutschen Arbeitsschutz-Handbuchs an: Astronauten dürfen demnach nicht mehr als 48 Stunden in der Woche arbeiten. Während ihrer gesamten Laufbahn dürfen sie nur so viel Strahlung ausgesetzt werden, dass ihr Krebsrisiko um maximal drei Prozent steigt. Wie aber mit schwer- oder sterbenskranken Raumfahrern umgegangen werden soll, wie gar ein Leichnam an Bord gehandhabt wird, erläutert das Dokument nicht. Vielmehr heißt es: Hier braucht die Nasa noch ein Procedere.

Kein Wort fällt nach AP-Angaben im Ethik-Leitfaden zum Thema Lust. Bitter nötig wäre ein Verhaltenskodex durchaus. "Es wird eine Entscheidung über gemischtgeschlechtliche Crews geben", sagte Bioethiker Wolpe. Derzeit ist es üblich, dass an Missionen zur Internationalen Raumstation (ISS) auch weibliche Astro- und Kosmonauten teilnehmen. Schwer vorstellbar, dass Frauen von Flügen zu Mond und Mars ausgeschlossen werden. "Da wird es heftige Debatten geben", sagte Wolpe.

Der oberste Astronauten-Medizinmann Williams konterte, bei Sex im Weltall handele es sich nicht um eine Gesundheits-, sondern um eine Verhaltensfrage. Es dürfte indes keineswegs sicher sein, dass junge, gesunde Menschen in dreijähriger Isolation ihr Verhalten entsprechend des Ideals vom keuschen Weltraum-Helden zügeln werden - auch wenn die Nasa bislang so tut.

Die Tücken des Sex in der Schwerelosigkeit

Als die kalifornische Wissenschaftsjournalistin Laura Woodmansee für ihr Buch "Sex in Space" recherchierte, erhielt sie dazu kein einziges Interview mit Nasa-Verantwortlichen. Im Jet Propulsion Lab (JPL) der Weltraumbehörde in Pasadena fand die Autorin hingegen nach eigenen Angaben eine Menge Astronauten und Personal, die genüsslich mit ihr spekulierten.

Von der Physik der Empfängnis in der Schwerelosigkeit schlägt sie einen Bogen über die Erörterung technischer Schwierigkeiten beim All-Akt (Stichworte: Rückstoß, Festhalten, Positionen in engen Räumen) bis hin zu ethischen Betrachtungen. Was, wenn ein Crewmitglied schwanger würde? Hätte ein ausgetragenes Kind auf der Erde gesundheitliche Probleme? Werden künftig Menschen in Raumkolonien gezeugt, geboren und großgezogen?


Zwei Chargen dieses populärwissenschaftlichen Sex-Fiction-Buchs verkauften sich prima im Souvenirshop des JPL. Ende September 2006 sollte Woodmansee dort eine Lesung mit Signierstunde abhalten. Doch kurz vorher verschickte der Ethik-Beauftragte des JPL Tausende E-Mails, um die Veranstaltung abzusagen. Mit einem "ethischen Problem" rechtfertigten sich die Verantwortlichen gegenüber "Science Online".

Im Jahr 1982 hatte die Russin Swetlana Sawitskaja mit zwei männlichen Kollegen die erste gemischtgeschlechtliche Weltraumcrew gebildet. Zehn Jahre später ließ die Nasa gar ein Ehepaar an Bord des Shuttles "Endeavour" ins All fliegen. Seitdem wird immer wieder behauptet, der erste Koitus im All sei längst vollzogen worden. Doch die Weltraumagenturen beider Länder weigern sich beharrlich, dies zu kommentieren.

Spermien einlagern, Testament verfassen

Immerhin erwägt die Nasa in dem Ethik-Leitfaden, für den Vermehrungserfolg ihrer Crews auf der Erde zu sorgen: Zur Liste der noch offenen Fragen zählt auch jene, ob Astronauten vor dem Start zu einer Langzeitmission Eier oder Spermien einlagern sollten. Ebenso muss die Nasa noch entscheiden, ob künftige Mond- und Marsflieger vorsichtshalber ihr Testament machen sollen.

Gar mit dem Gesetz kollidieren könnten Gedankenspiele in puncto Gentest: Zwar spielte bei keinem der drei großen Unfälle der Nasa - den Unglücken von "Apollo 1", der "Challenger" und der "Columbia" - die Gesundheit der Astronauten eine Rolle. Dennoch denkt die Nasa darüber nach, Astronauten für Langzeitmissionen auf Erbkrankheiten und besondere Risikofaktoren hin zu untersuchen. Dergleichen ist in den USA gegenwärtig verboten.

"Wer sich da nackig macht, könnte erwischt werden"

"Schön, dass sie jetzt über so etwas nachdenken", sagte der sechsmalige Space-Shuttle-Astronaut Story Musgrave, der selbst studierter Mediziner ist. Er finde, in der Vergangenheit sei die Nasa mit diesen Dingen nicht glücklich umgegangen.

Wenigstens beim Schwebe-Sex wird es wohl nicht die US-Weltraumbehörde sein, die den Ton für das Verhalten im All angibt. "Das Zeitalter des Weltraumtourismus fängt gerade erst an, und schon sind All-Flitterwochen gebucht worden", sagte Buchautorin Woodmansee. "Sex in der Schwerelosigkeit ist die 'Killer-Anwendung' von Weltraumtourismus." Die Autorin erwartet, dass die Suiten künftiger Orbit-Hotels extra dafür entworfen werden.

Richard Branson, exzentrischer britischer Milliardär und Besitzer des Virgin-Konzerns, spricht bereits offen und suggestiv über Techtelmechtel unterm Sternenzelt. Mit seinem "SpaceShipTwo" will er als Erster schwerteure Flüge in die kurze Schwerelosigkeit des suborbitalen Raums anbieten. Diese werden indes eher die Atmosphäre eines fliegenden VW-Busses als eines schwebenden Separées bieten. Branson: "Wer sich da nackig macht, könnte erwischt werden."

stx/AP


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