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2003/11/25 (06:47) from 80.139.167.207' of 80.139.167.207' Article Number : 99
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Teufelsaustreibung



Dimension PSI (2/6) | 24.11. | 21.45 Uhr
Teufelsaustreibung, Sendung vom 24. November im Ersten
  
 
 
Nach wie vor nimmt die römisch-katholische Kirche eine Schlüsseldarstellung im Kampf gegen das Böse ein. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Amtszeit mehr offizielle Exorzisten benannt als jeder andere Papst der Neuzeit. Don Gabriele Amorth, der oberste Exorzist Roms, hat mit Billigung seines Bischofs, des Papstes, bereits über 30.000 Fälle von Besessenheit "behandelt". Sogar der Heilige Vater persönlich, so berichtet Amorth, soll sich an Teufelsaustreibungen beteiligt haben. "Er wollte ein Zeichen setzen, dass wir wieder Exorzismen bei denen vornehmen müssen, die von Dämonen besessen sind."
 
 

Die Studentin Anneliese Michel. Rechte: MDR/MPR  
Der "Fall Klingenberg" ist der bislang letzte öffentlich verzeichnete Fall einer kirchlichen Teufelsaustreibung in Deutschland. Neun Monate lang hatten 1976 zwei Exorzisten mit Genehmigung des Bischofs von Würzburg ihren Kampf gegen insgesamt sechs Dämonen geführt, die angeblich in den Körper der Studentin Anneliese Michel gefahren waren. Die junge Frau aus Klingenberg soll dabei in fremden Sprachen gesprochen haben. Sie soll über ein unheimliches Wissen von Dingen verfügt haben, die sie nie zuvor erfahren hatte, und zeigte übernatürliche Kräfte. Schließlich, so die Augenzeugen, hätten die Dämonen der Anneliese Michel befohlen, die Nahrungsaufnahme zu verweigern. Am 1. Juli 1976 starb Anneliese Michel an den Folgen von Unterernährung und Entkräftung.
 
Vatikanstadt, Januar 1999: Kardinal Medina Estévez, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, präsentiert Journalisten die Neufassung des Rituals, das seit 1614 von der Kirche bei Fällen von teuflischer Besessenheit angewandt wird: "De exorcismis et supplicationibus quibusdam" - der Exorzismus für das kommende Jahrtausend. Nach mehr als zehnjähriger Bearbeitung war der neue Exorzismusritus schließlich von Papst Johannes Paul II. approbiert und damit für den weltweiten Einsatz freigegeben worden.

Ausgelöst hatte die Überarbeitung der Tod von Anneliese Michel. Die deutsche Bischofskonferenz hatte gefordert, das alte Ritual endlich abzuschaffen. Der Vatikan reagierte auf seine Weise - mit einer neuen Form des Exorzismus. Mehr als 25 Jahre nach Anneliese Michels Tod.  



Die katholische Kirche und die Teufelsaustreibung
Für sehr viele Menschen auf der Erde ist das personifizierte Böse bis heute bittere Realität – sie glauben, vom Teufel besessen zu sein und viele von ihnen erleiden dabei wahrhaft höllische Qualen. Ihr Handeln und Denken ist angeblich von fremden Mächten bestimmt. Getrieben von der Angst, ihre Seele an den Teufel zu verlieren, suchen sie die Hilfe von Exorzisten. Paradoxerweise wird dieses Phänomen durch die Liberalisierung der katholischen Kirche gefördert. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das die Kirche in den sechziger Jahren reformieren sollte, bildeten sich zahlreiche reaktionäre Sekten und traditionalistische Gebetsgruppen, die sich als Bewahrer der rechten Lehre sehen. Hier wird der Teufel noch mit dem Beelzebub ausgetrieben. Die Angst und nicht die Hoffnung gilt als dasjenige Prinzip, welches die Menschen in ein sündenfreies Leben führen soll.

Auch wenn Papst Johannes Paul II. mit Nachdruck versucht, Kontrolle über diese Subkultur zu bekommen, hat er selbst die Renaissance des Exorzismus gefördert, indem er mehr offizielle Exorzisten benannt hat als jeder andere moderne Papst. In Italien werden mittlerweile pro Jahr etwa 200 Priester neu zum Teufelskampf eingesegnet. Don Gabriele Amorth, eine Art Chef-Exorzist des Vatikan, hat mit Billigung des Papstes bereits über 30.000 Fälle von Besessenheit "behandelt". Täglich kommen neue hinzu. Für den Präfekt der Glaubenskongregation Josef Kardinal Ratzinger steht fest: Der Teufel ist zwar "eine mysteriöse, aber reale, personale und nicht symbolische Präsenz".

1999 erschien im Vatikan sogar eine Neuauflage des "Rituale Romanum", einer Art Betriebsanleitung für Teufelsaustreibungen, deren Ursprünge auf das Jahr 1614 zurückgehen. Vier besondere Anzeichen, heißt es dort, weisen auf die Anwesenheit des Teufels hin:

1. Der Besessene kann in einer unbekannten Sprache mit mehreren Worten sprechen oder einen mit unbekannter Sprache Sprechenden verstehen.

2. Er kann entfernt und verborgen liegende Dinge offenkundig machen.

3. Er zeigt Fähigkeiten, welche über die Kräfte und natürlichen Gegebenheiten des Lebensalters hinausgehen.

4. Er zeigt heftige Aversionen gegen Gott oder Aggressionen gegen Riten, Sakramente und heilige Bilder.


 
Der Exorzismus-Fall Anneliese Michel
Am Samstag, den 25. Februar 1978 fällt dichter Schneeregen auf den kleinen Ort Klingenberg in Unterfranken. Seit den frühen Morgenstunden haben Totengräber auf dem Friedhof ein altes Grab wieder ausgeschaufelt. Es ist das Grab der zwei Jahre zuvor verstorbenen Anneliese Michel. Es heißt, die 23 Jahre alte Frau sei vom Teufel besessen gewesen. Neun Monate lang hatten zwei katholische Priester einen verzweifelten Kampf mit dem "Bösen" in Anneliese Michel geführt. Insgesamt sechs verschiedene Dämonen hätten sich während des Exorzismus zu erkennen gegeben. Die junge Frau aus Klingenberg soll dabei in fremden Sprachen gesprochen haben. Sie habe ein unheimliches Wissen von Dingen offenbart, das sich aus unerklärlichen Quellen zu speisen schien und übernatürliche Kräfte gezeigt. Schließlich habe Anneliese Michel die Nahrungsaufnahme verweigert. Die Dämonen hätten es dem Mädchen befohlen, so die Erklärung der kirchlichen Amtsträger in exorzistischer Mission. Die "Rettung" war misslungen, die Priester hatten den Kampf verloren. Am 1. Juli 1976 starb Anneliese Michel an den Folgen von Unterernährung und Entkräftung.

Schon bald nach dem Tod der Anneliese Michel will eine Karmeliternonne aus dem Allgäu Botschaften des Mädchens aus dem Jenseits empfangen haben. Ihr entsetzlicher Tod sei nicht umsonst gewesen; ihr Leidensweg habe der Sühnung verdammter Seelen gegolten und sei ein Sinnbild der Gnade Gottes. Zum Beweis ihrer Visionen, so die Karmeliterin, sei der Leichnam der Anneliese unverwest. Das Gerücht vom Sühnetod von Anneliese erreicht schließlich auch ihre tief gläubigen Eltern; unter einem Vorwand erwirken sie die Exhumierung ihrer Tochter.

Unter den Augen der Anwesenden wird der schlichte Holzsarg am 25. Februar 1978 aus dem Boden gehoben und in die Leichenhalle geschafft. Dort soll er, abgeschirmt von den zahlreich angereisten Schaulustigen und Journalisten, geöffnet werden. Nachdem der Bürgermeister im Beisein von Gerichtsmedizinern den Leichnam in Augenschein genommen hat, gibt er den Eltern den unmissverständlichen Rat, sich den Anblick der Toten zu ersparen. Hat er Ihnen, wie die Eltern später behaupten werden, den Zutritt zur Leichenhalle verwehrt? Auch Pater Arnold Renz, der den Exorzismus an Anneliese Michel durchgeführt hatte, ist angereist. Seinen Angaben zufolge ist er von Polizisten am Zugang zur Leichenhalle gehindert worden. Hastig wird die Leiche des jungen Mädchens noch am selben Tag wieder beigesetzt. Was wollten die Behörden verbergen? War der Leichnam der Anneliese Michel tatsächlich unversehrt? Wurde der Beweis für die "Gnade Gottes" vertuscht? Und damit gleichzeitig der Nachweis für die Existenz des Teufels?

Eine naturwissenschaftlich einleuchtende Erklärung für die vermeintliche Besessenheit Anneliese Michels wurde weder von ihr selbst, noch von ihren Eltern in Betracht gezogen: seit ihrem 16. Lebensjahr leidet das Mädchen an nächtlichen Krampfanfällen. Eine Neurologin der Universitäts-Nervenklinik in Würzburg diagnostiziert nach Jahren anhand eines Hirnstrombildes eine Schläfenlappenepilepsie in der linken Gehirnhälfte in Verbindung mit einer Psychose, offenbar ausgelöst durch unterschwellige Aggressionen gegen den streng religiösen Vater. Anneliese Michel will das Urteil der Nervenärzte nicht wahrhaben. Ihr religiöser Irrglaube verhindert jede Chance auf Heilung. Ihre letzte Hoffnung setzt sie auf Priester, nicht auf Mediziner oder Psychologen.

Eltern, Geschwister und Freunde bestärken sie in dieser Haltung und lehnen nach anfänglicher angemessener Therapie weitere ärztliche oder psychiatrische Behandlung ab. Eine Entscheidung mit fatalen Folgen, deren Tragik darin gipfelt, dass sich Anneliese Michel in ihrem religiösen Irrglauben freiwillig in die Hände der Exorzisten begibt.

Die Dämonen, die der Anneliese Michel zugeschrieben werden, heißen unter anderen Luzifer, Judas, Nero und Kain. Unter ihrem Einfluss ist das 23 Jahre alte Mädchen nicht mehr wiederzuerkennen. Ihre Stimme verwandelt sich zu einem düsteren Knurren. Wie von Sinnen rast sie dann durch das Haus ihrer Eltern. Sie wälzt sich im Staub des Kohlenkellers, stopft sich Fliegen und Spinnen in den Mund und kaut an Kohlestücken herum. Mit besonders heftigen Anfällen reagiert Anneliese immer dann, wenn sie auf Rosenkränze, Kruzifixe und Heiligenstatuen stößt – das elterliche Haus ist voll davon. In ihrer Verzweiflung suchen die tief religiösen Eltern schließlich Hilfe bei der katholischen Kirche.

Mit dem Segen des Würzburger Bischofs Dr. Josef Stangl beginnen ein Salvatorianermönch und ein Priester mit dem Exorzismus. Monatelang belagern sie das Bett des kranken Mädchens, bespritzen sie literweise mit Weihwasser, quälen sie mit christlichen Symbolen und beten nach festgelegtem Ritual, um Anneliese Michel von ihren Dämonen zu befreien. Am Ende wiegt sie nur noch 31 Kilogramm, verweigert die Nahrungsaufnahme und stirbt schließlich am 1. Juli 1976.

Noch eine Woche vor ihrem Tod hätte sie durch künstliche Ernährung gerettet werden können. Ein Umstand, der nach zweijährigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zur gerichtlichen Verurteilung der Eltern und der beiden Exorzisten wegen fahrlässiger Tötung führt. Zur Verurteilung - nicht zu einem Umdenken. Entgegen aller Gerüchte erbringt auch die Exhumierung des Leichnams von Anneliese Michel keinerlei Beweise für ihre Besessenheit. Trotzdem ist ihr Grab und das Haus, in dem der Exorzismus vollzogen wurde, zum Wallfahrtsort geworden. Einer trauriger Ort der Erinnerung an den Triumph des Teufels über das Leben.


 
Multiple Persönlichkeit oder Besessenheit – der Fall Marianna Joyce
Nach den Regeln des "Rituale Romanum" ist Marianna Joyce aus dem US-Bundesstaat Oregon besessen. Oft wacht die 45 Jahre alte Rechtsanwältin blutüberströmt in ihrem Bett auf. Ihre Haut ist von Rasierklingen zerschnitten, mit glühenden Zigaretten sind ihr schwere Brandwunden zugefügt worden. Auf ihrem Nachttisch findet sie dann eine Nachricht in einer fremden, zittrigen Handschrift, die lautet: "Marianna ist böse. Marianna muss sterben. Der Ripper."

Erst nach jahrelanger Beobachtung finden Psychiater heraus, wer der Ripper tatsächlich ist – Marianna Joyce selbst. Bei der anschließenden Therapie zeigt sich, dass Marianna insgesamt von fünf verschiedenen Persönlichkeiten "beherrscht" wird. Diese Persönlichkeiten verdrängen unvermittelt die eigentliche Identität der Frau und führen dann in unterschiedlicher Stimmlage und mit ganz verschiedenen Wesenszügen ein vermeintliches Eigenleben. Mal taucht der siebenjährige Danny auf, ein ungezogener, frecher Teenager. Dann gibt es die geistig zurückgebliebene Jennifer, die mit ihren 22 Jahren mehr Männer gehabt hat, als sie zählen kann. Und John, der zu den erfolgreichsten Rechtsanwälten seiner Stadt zählt. Schließlich die 29 Jahre alte Laura, die Italienisch spricht, obwohl Marianna keine Silbe der fremden Sprache versteht.

Erst in den achtziger Jahren ist dieses Krankheitsbild in das Blickfeld der Wissenschaft geraten. Die Psychiater nennen es Multiple Personality Desease (MPD), Multiple Persönlichkeitsstörung. Vermutlich ist diese Krankheit auf frühkindliche Traumata zurückzuführen, die psychisch nicht verarbeitet werden können und die schließlich zu einer Aufspaltung in verschiedene Persönlichkeiten führen, die stellvertretend die Last der Erinnerung tragen. Eine solche gestörte Persönlichkeit verfügt oft über Fähigkeiten, derer sie sich im Normalzustand gar nicht bewusst ist. Marianna Joyce’ Italienischkenntnisse etwa stammen aus ihrer Kindheit, als ihre Eltern eine italienische Haushälterin beschäftigten, die oft in ihrer Muttersprache mit den Kindern redete. In Mariannas Unterbewusstsein gespeichert, tauchen diese italienischen Sprachfetzen immer dann auf, wenn "Laura" von Marianna Besitz ergreift.

In einem christlich-religiösen Umfeld wäre Mariannas Chance groß gewesen, einem Exorzisten in die Hände zu fallen, der ihr die "Dämonen" auf seine Weise ausgetrieben hätte; so wie der unglücklichen Anneliese Michel aus Klingenberg in Unterfranken.


 
zuletzt aktualisiert: 18. November 2003 | 11:57

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